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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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klüger gewesen, der Verdächtige hätte seine voyeuristische Neigung eingestanden – damit hätte sich erklärt, warum er sich nachts an bestimmten Orten aufgehalten hatte. Männer mit solchen Neigungen waren zu Hunderten unterwegs. Das machte sie nicht automatisch zu Mördern. Hatten sie vor irgend etwas anderem Angst? Man konnte sich keinen Reim darauf machen, was in ihnen vorging. Der Maresciallo zweifelte nicht daran, daß der Verdächtige wirklich ein Voyeur war, auch wenn er berücksichtigte, daß die Hälfte von dem, was Simonetti aufs Tapet brachte, erfunden war.
    Das gleiche Gefühl hatte er bei der Sache mit der Tochter gehabt. Er glaubte wohl, daß der Verdächtige sie mißbraucht hatte. Trotzdem log sie.
    Simonetti wurde nicht müde, den Verdächtigen zu quälen.
    »Warum sagen Sie uns nicht die Wahrheit?«
    Genau das war der Punkt. Warum sagte er nicht die Wahrheit? Wenn man bedachte, daß Simonettis Anschuldigungen falsch waren, so bedeutete dies, daß die Wahrheit das letzte war, was er hören wollte. Die Wahrheit hätte in diesem Falle dem Verdächtigen geholfen. Doch er log. Das ganze Wortgefecht, das eigentlich ein Ringen um die Wahrheit hätte sein sollen, war in Wirklichkeit ein Kampf, in dem es darum ging, welchem der beiden Lügengespinste mehr Glauben geschenkt würde. Die Wahrheit kam im Grunde keiner der beiden Seiten gelegen.
    »Dieser Eintrag in Ihrem Kalender hier: Das ist ein Autokennzeichen, hinter das Sie das Wort ›Pärchen‹ geschrieben haben. Wie würden Sie uns das als jemand, der kein Voyeur ist, erklären?«
    »Ich habe das nicht geschrieben. Das ist nicht meine Handschrift.«
    »Es ist nicht Ihre Handschrift? Wessen Handschrift ist es dann? Es ist doch Ihr Kalender. Er befand sich in Ihrem Haus. Wessen Handschrift ist das, nun machen Sie schon!«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es ja meine. Ich erinnere mich doch nicht mehr an jede Kleinigkeit, die ich mal hingekritzelt habe.«
    »Dann lassen Sie uns in diesem Falle mal davon ausgehen, daß Sie dieses Autokennzeichen mit dem Wort ›Pärchen‹ daneben hingekritzelt haben. Was soll der Eintrag bedeuten?«
    »Weiß ich nicht mehr.«
    »Aber Sie haben das geschrieben.«
    »Sie versuchen mich reinzulegen. Sie verfolgen einen Unschuldigen.«
    Eine ganze Weile waren nur noch Heulen und Schniefen zu vernehmen, und mit dem Taschentuch in der Hand beriet sich der Verdächtige kurz mit seinem Anwalt, welcher ihm den Arm tätschelte und dann Simonetti ansah… »Er glaubt sich zu erinnern.«
    »Da sind wir ja gespannt.«
    Der Verdächtige schneuzte sich geräuschvoll und unappetitlich die Nase und wischte sich die Augen.
    »Ich erinnere mich, daß ich eines Abends ein Pärchen gesehen hab, das auf dem Weg direkt unter meinem Schlafzimmerfenster geparkt hat. Ich hab, glaub ich, die Nummer des Autos aufgeschrieben. Ich wollte sie von meinem Haus forthaben. Es gehört sich nicht, so etwas zu machen, direkt unter der Nase anderer Leute. Ich hatte eine Tochter, an die ich denken mußte. Es gehört sich nicht.«
    »Moralische Entrüstung. Sie erstaunen mich.«
    »Es war nur zu ihrem Besten. Denn zu der Zeit wurden diese Pärchen ja ermordet. Es war zu ihrer Sicherheit, und nun sehen Sie, wohin mich das gebracht hat.«
    »Ach ja. Kommen wir mal zu den kleinen Schmuckstücken hier.«
    Simonetti streckte die Hand nach hinten aus, ohne sich umzuschauen, und Esposito, der Beamte mit der Narbe auf der Hand, reichte ihm die Seifenschale voller billiger Halsketten und Armreifen. »Was ist damit?«
    »Was soll damit sein?«
    »Was können Sie mir zu diesen Sachen sagen? Kommen Sie uns nicht damit, daß die nicht Ihnen gehören. Daß Sie keinen Frauenschmuck tragen, versteht sich. Also?«
    Der Verdächtige schwieg. Anscheinend wußte er nicht, was er von dem Ganzen halten sollte. Er fixierte die Seifenschale mit seinen Schweinsäuglein, das Gesicht leicht zur Seite gedreht.
    »Ich hab Ihnen doch schon gesagt…«, begann er unsicher.
    »Als Sie das Zeug mitnahmen, hab ich Ihnen schon gesagt, daß es meiner Tochter gehört. Das sind wohl die Sachen, die Sie mitnahmen…«
    Diesmal verstand der Maresciallo. Als sie den Klunker eingepackt hatten, hatte er das tatsächlich gesagt. Nun war er sichtlich besorgt, daß die ihm hier vorgeführten Schmuckstücke womöglich nicht die gleichen waren und daß er dies nicht beweisen konnte. Sie mußten zwar im Durchsuchungsbericht aufgeführt sein, aber wie genau war die Beschreibung? Alle jungen Frauen

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