Das Ungeheuer von Florenz
dieser Frage weiterhilft.«
»Sie haben natürlich recht, aber trotzdem, es war eine Menge Geld.«
»Sie geben wohl nie auf, wie? Ich verrate Ihnen mal was. Wenn ich mit dem Gesetz in Konflikt käme, bekäme ich es ungern mit Ihnen zu tun. Sie sind wie eine Bulldogge, die den Knochen nicht fahrenlassen will. Vergeuden Sie nicht Ihre Kraft. Dafür werden Sie nicht bezahlt, und in diesem speziellen Fall dankt man es Ihnen auch nicht.«
»Sie haben sicher recht…«
»Das sagen Sie immer, lassen den Knochen aber trotzdem nicht fahren.«
»Es war eine Menge Geld.«
»O Gott.«
»Und es ist ein ganz hübsches Häuschen, das er da hat. Dazu noch ein schönes Stückchen Land. Und die Wohnung in der Nähe des Marktplatzes, die er für das Mädchen gekauft hat. Ich besitze kein Haus und keine Wohnung. Ich mache mir jetzt schon Sorgen, wie ich zurechtkommen soll, wenn ich in Pension gehe.«
Ferrini saß da und schaute den Maresciallo an. Er gab auf.
»Na schön, erzählen Sie schon.«
»Ich mache mir jetzt schon Sorgen«, sagte der Maresciallo noch einmal, Ferrinis Ironie übergehend. »Ich denke oft daran… Er hält Hühner.«
»Wie bitte? Wie kommen Sie denn plötzlich auf Hühner?«
»Der Verdächtige. Er hält Hühner und ein paar Hasen. Er baut Gemüse an. Er produziert Wein und Öl für den Eigenbedarf. Praktisch sein ganzes Leben lang hat er als Landarbeiter gearbeitet…«
»Wie er uns jedesmal, wenn wir mit ihm sprechen, versichert.«
»Ja, genau. Es ist wichtig, auf das zu hören, was die Leute sagen. Manchmal, wenn man es am wenigsten erwartet, erzählen sie einem die Wahrheit. Was er uns auch jedesmal versichert, ist, daß er immer vorsichtig ist, immer was für einen Regentag beiseite legt, wie sein Vater es ihm beigebracht hat. Sein Vater war ebenfalls Bauer.«
»Schön, er will also den Landbesitzer sein ganzes Leben lang geschröpft und den Erlös unter die Matratze gesteckt haben.«
»Ja.«
»Also, sehen wir mal… wenn wir das addieren, kommen keine zwei Häuser, eine Schublade voller Millionen und so ein Aktienpaket heraus. Und dazu addieren wir noch, daß wir ihn nicht für das Ungeheuer halten, aber was wollen Sie damit anfangen? Welchen Sinn hat es, Fragen zu beantworten, die kein Mensch gestellt hat?«
Der Maresciallo erwiderte nichts. Seine Miene war düster und entschlossen.
»Gütiger Himmel, das Gesicht kenne ich. Diese Miene hatten Sie bei dem Transsexuellen-Fall auch aufgesetzt, und man bekam kein vernünftiges Wort aus Ihnen heraus, bis es vorbei war.«
»Und« – der Maresciallo klopfte auf den Tisch – »sie sagte, ihr drohe sonst eine Gefängnisstrafe.«
»Wenn das nicht beweist, daß ich recht habe… Wem drohte Gefängnis?«
Doch bevor er eine Antwort bekommen konnte – auf die er vermutlich sowieso lange hätte warten müssen –, wurde die Tür zu dem Besprechungszimmer aufgerissen, und ein aufgeregter junger Mann trat ein.
»Staatsanwalt Simonetti?«
»Ich glaube, er spricht mit den Herren von der Presse. Ist irgendwas?«
Der junge Mann kam herein. Er hatte ein dickes Päckchen bei sich, das er auf den Tisch legte.
»Er wird mich bestimmt zusammenstauchen…«
Der junge Mann setzte sich und schaute die beiden Carabinieri an. »Hören Sie, Sie kennen ihn sicher besser als ich. Ich gebe mich ganz in Ihre Hand. Ich habe einen dummen Fehler gemacht, ich weiß, aber ich weiß nicht, was für Folgerungen bereits daraus gezogen wurden, das heißt, wie schlimm die Verzögerung ist und ob wir die Presse da raushalten können. Denn das ist ja seine einzige Sorge, wie man so hört.«
»Da dürften Sie recht haben.«
Ferrini war ebenso amüsiert wie verblüfft. »Wie wär's, wenn Sie uns erst einmal andeutungsweise erklären würden, wovon Sie reden, und damit anfingen, wer Sie überhaupt sind.«
»Sie sind aus dem Polizeilabor, nicht?« sagte der Maresciallo. »Sie waren an dem Regentag da, als die Müllkübel abtransportiert wurden.«
»Und hab mich total zum Narren gemacht.«
»Dann wären wir schon zu zweit«, meinte der Maresciallo.
»Soll das heißen, Sie wissen es schon?«
»Ich weiß gar nichts, nur daß ich dort war, aber daß ich zu langsam war. Ich hätte ihn mit dem, was er da in der Hand hielt, schnappen müssen. Hab ich aber nicht.«
Wortlos schob der junge Mann dem Maresciallo das Päckchen über den Tisch. Es war ein wattierter Umschlag, unversiegelt.
»Machen Sie es schon auf.«
In dem Umschlag lag eine Videokassette mit einem handschriftlich
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