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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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fliehen, und er hat sie eingeholt.«
    »Verzeihen Sie…«
    Es war der junge Bacci, der im letzten Wagen mitgefahren war und nun hinter dem Maresciallo stand. »Soviel ich verstanden habe, wurde sie von fünf Kugeln getroffen. Bedeutet das nicht, daß die erste Annahme wahrscheinlicher ist?«
    »Eines will ich gleich klarstellen«, erwiderte Simonetti mit einem Lächeln, das nicht zu seinen Ausführungen paßte, »an Annahmen bin ich nicht interessiert. In der Vergangenheit hat es schon so viele Hypothesen über diese Verbrechen gegeben, daß wir alle unser Lebtag davon zehren können. Wenn wir etwas nicht sicher wissen, dann wissen wir es nicht. Punkt. Und wenn wir schon dabei sind, sage ich noch etwas in Zusammenhang mit diesem Thema. Wenn Sie sich umschauen, sehen Sie, daß der Schauplatz des Verbrechens eine Landstraße mit ein paar Bäumen und Büschen und einem Wasserlauf in der Nähe ist. Das Verbrechen wurde jedesmal zwischen zehn und zwölf Uhr nachts bei Neumond verübt. Sie werden diese Tatumstände bei jedem der sieben Schauplätze, die wir aufsuchen, vorfinden, und auch dazu haben wir schon so viele Hypothesen gehört, daß wir ein Lebtag davon zehren können. Ich bin an okkultistischen Erklärungen zu Umständen des Tathergangs nicht interessiert, und ich sage Ihnen das, weil die idiotischen Spekulationen über diese Dinge nicht von der Presse stammen, wie man eigentlich hätte annehmen können, sondern von Leuten, die sich ernsthaft Kriminalbeamte nennen. Nun: Neumond ist die dunkelste Zeit eines Monats, und ein umherschleichender Mörder kann vernünftigerweise davon ausgehen, daß man ihn dann nicht umherschleichen sieht. Desgleichen benötigt er Büsche oder Weinstöcke als Versteck, ebenso wie er Wasser benötigt, um sich nach der Metzelei das Blut abzuwaschen. Und da Paare, die ihre Autos parken, um sich zu lieben, dies in der Regel auf stillen Landstraßen tun und nicht auf der Autobahn, sind diese Punkte wohl geklärt.«
    Simonetti ging auf seinen Wagen zu. Ferrini blickte den Maresciallo mit säuerlicher Miene an und flüsterte: »Ganz vernünftige Erklärung. Pech nur, daß wir es mit einem Wahnsinnigen zu tun haben.«
    Der Maresciallo jedoch sah den unglückseligen Bacci an, der diese Tirade heraufbeschworen hatte, und mußte sich zwingen, dem jungen Mann nicht tröstend auf die Schulter zu klopfen. Bacci war sein Vorgesetzter. Das Gesicht des armen jungen Mannes war weiß.
    Sie fuhren weiter durch eine hügelige Landschaft, nahmen alle Tatorte südlich von Florenz in Augenschein: Montespertoli, Gli Scopeti, Galluzzo. Der Nebel zwischen den Hügeln wurde immer dichter, und die Stadt, die wie ein Fleck im Tal weit unter ihnen lag, wurde immer undeutlicher, bis es, kurz nach elf Uhr, zu regnen begann. Als sie zum letzten Tatort im Süden, in der Nähe der Ortschaft Galluzzo, gingen, sanken sie bereits in den durchfeuchteten Boden ein, und dicke Regentropfen schlugen die letzten schimmernden Trauben von den Rebstöcken herunter. In der Ferne reckten sich vereinzelte schwarze Zypressen und Pinien in den bleigrauen Himmel. Mit ihren nassen Stiefeln traten sie Tragetüten aus Plastik, Zigarettenschachteln, Spritzen, gebrauchte Kondome und Schnipsel von pornographischen Zeitschriften in den Boden.
    Sie umfuhren die Stadt auf der Autobahn und erreichten so die Hügel nördlich von Florenz. Der Maresciallo wich auch hier nicht von Ferrinis Seite, der ihm ab und zu Bruchstücke von Informationen anvertraute, an die er sich erinnerte, die aber in der schriftlichen Synopse, welche man ihnen ausgehändigt hatte, nicht vorkamen.
    »Erinnern Sie sich an die Verhaftung von Sassetti, dem Voyeur?«
    »Nur noch undeutlich.«
    »Er hatte am frühen Sonntagvormittag in einer Bar irgend etwas davon gefaselt, daß das Monster wieder zugeschlagen habe, als man die Leichen noch gar nicht gefunden hatte. Natürlich hatte er sie entdeckt. Er machte zwar keinen Hehl daraus, was er an Samstagabenden so trieb, ließ aber kein Wort darüber verlauten, was er gesehen oder gefunden hatte. Angeblich der Schreck. Können Sie sich etwas vorstellen, was einem einen größeren Schrecken einjagt als die Aussicht, verhaftet und ins Gefängnis gesteckt zu werden, weil man angeblich dieses Ungeheuer ist?«
    »Eigentlich nicht…«
    »Ich auch nicht. Im Oktober, als das Monster diese zwei hier erledigte, mußte man ihn natürlich wieder freilassen.«
    Sie standen nun um ein steinernes Kreuz herum, das die Stelle markierte, an der man

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