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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Silvio Benci und Sara Contini gefunden hatte. Das Kreuz stand zwischen Reihen von Rebstöcken und trug unter den Namen die Aufschrift: »Sie starben um der Liebe willen. 22. Oktober 1981.«
    Die sechs Männer standen mit dem Rücken zur Straße, auf der ihre Wagen geparkt waren, während Simonetti wieder in seiner Klemmappe blätterte. Ihnen zur Rechten ragte die massige Gestalt der Mond di Calvana auf, des Bergzugs, der diese Gegend von Prato weiter nördlich abgrenzte. Er sah schon bei schönster Witterung kalt und unwirtlich aus. Graue Wolkentürme zogen über seinen flachen Gipfel hinweg, und das Blau seiner Hänge war so dunkel, daß man es für Schwarz halten konnte. Der Maresciallo warf einen flüchtigen Blick auf das Kreuz und betrachtete danach die bedrohlich wirkende nasse Masse.
    »Die sardische Linie der Ermittlungen…«, flüsterte Ferrini, als könne er die Gedanken des Maresciallo lesen.
    Dort oben hausten, wie sie beide wußten, sardische Banditen und Schäfer in lichtlosen, längst verfallenen Hütten. Dort machten sie ihren Käse, versteckten Maschinengewehre, Pistolen, Chloroform, Entführungsopfer.
    Polizei kam nicht einmal in ihre Nähe, ohne nicht schon eine halbe Stunde im voraus gesichtet zu werden, und das Gelände war zu rauh und zu steinig, als daß man mit einem Hubschrauber hätte landen können. Es war ein finsterer Ort, so finster wie die durch das steinerne Kreuz markierte Stelle. Staatsanwalt Simonetti stand die ganze Zeit über mit dem Rücken zu diesem Kreuz und setzte seine durch und durch vernünftigen Ausführungen darüber fort, wie ein Mann zwei völlig Fremde überfallen und Teile des Frauenkörpers mitgenommen hatte.
    »In diesem Fall war die Verstümmelung brutaler und umfassender, ein Teil des Darmtrakts wurde freigelegt und perforiert. Wie die Obduktion ergab, war ein großer Klumpen subkutanen Fetts in die Innenseite des Schenkels der Frau gestopft worden. Meine Herren, ich finde, wir alle sollten jetzt eine Pause einlegen und zu Mittag essen.«
    In dem Restaurant fiel dem Maresciallo auf, daß der junge Polizist, der bis zum jetzigen Zeitpunkt noch kein einziges Mal gesprochen hatte, sich so eng an Bacci anschloß wie er selbst an Ferrini. Offensichtlich versuchte er, unauffällig ein Gespräch mit Bacci in Gang zu halten, doch Bacci, dem die vorausgegangene Zurechtweisung Simonettis noch in den Knochen steckte, war recht einsilbig. Die beiden anderen Ermittlungsbeamten von der Polizei waren ebenfalls schweigsam, wenn auch aus anderen Gründen. Nach allem, was der Maresciallo über sie wußte, gehörten sie nicht zu der Sorte Mensch, die den Mund zur Äußerung von Vermutungen aufmachten, erst recht nicht für höfliches Plaudern. Sie redeten erst, wenn sie »Ich nehme Sie fest« sagen konnten, und sonst verwendeten sie ihren Mund dazu, ihre Pasta abzukühlen. Einer der beiden hatte eine üble Narbe auf dem Rücken der Hand, mit der er die Gabel zum Mund führte, sicher die Folge einer verirrten Kugel. Der Maresciallo griff nach dem geriebenen Käse und fragte sich mit einem innerlichen Seufzer, was wohl Teresa und die Jungs zu Mittag essen mochten.
    Als sie zuletzt am Tatort des ersten Verbrechens des Ungeheuers von 1974 ankamen, war es fast schon dunkel. Es regnete jetzt stärker, so daß Schultern und Schuhe durchgeweicht waren und die Nerven blank lagen.
    »Maresciallo…«
    »Tenente.«
    Bacci hatte den Maresciallo, was diesem nicht entgangen war, schon seit einiger Zeit beäugt, bevor er sich entschloß, ihn anzusprechen.
    »Ich hab mich nur gerade gefragt…«
    Er schaute vorsichtig nach rechts, wo Simonetti mit einem der Beamten sprach, der ab und zu nickte und sich beim Zuhören umschaute. »Dürfte ich Sie um einen Rat bitten?«
    »Ja sicher.«
    »Es ist so, daß… Sie haben doch auch schon mit ihm zusammengearbeitet, nicht?«
    »Einmal.«
    Es war nicht notwendig, ihn beim Namen zu nennen.
    »Vergiß es einfach. Mach dir keine Gedanken.«
    »Das tu ich aber, ich kann es auch nicht ändern. Das ist ein so wichtiger Fall – aber mal abgesehen davon: Wenn wir mit der Polizei zusammenarbeiten, sollten wir uns doch auch bemühen, ein gutes Bild abzugeben. Sind Sie nicht meiner Meinung?«
    Der Maresciallo setzte sich in Richtung Auto in Bewegung.
    »Das letzte, was ich möchte«, Bacci ließ nicht locker, »ist, einen schlechten Eindruck zu machen.«
    »Mach dir darüber keine Gedanken. Er hat dich nur angesprochen, weil er das zu uns allen sagen wollte. Es war

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