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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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wird. Das sage ich aus Erfahrung. Dann jedenfalls sind wir erst einmal uns selbst überlassen, und es wird überflüssig, darauf zu achten, daß Theorie und Ermittlungsergebnisse zusammenpassen. Wir suchen dann nur noch nach einem wahrscheinlichen Verdächtigen, der hinter Gitter gebracht werden und, anders als die letzten vier, dort auch bleiben kann. – Öffnen Sie doch mal das Fenster einen Spaltbreit, wir dampfen ja regelrecht… Oh, nein, lassen Sie's. Duschen wollen wir nicht!« – Der Fahrer drückte den Knopf des Fensterhebers, und die Scheibe glitt wieder nach oben. »Sieht nicht so aus, als ließe es nach… Wenn ich eines nicht leiden kann, dann sind das Leute, die sich im Stau auf die Hupe lehnen – sehen Sie sich diesen Blödmann an, will uns auf dem Gehweg überholen. Wohl verrückt, was…! Was habe ich gerade gesagt? Oh, ja, unser Freund, das Monster – oder Cicci, das Ungeheuer von Scandicci, wie er allgemein auch genannt wird –, hat schon vor Jahren, 1985, Feierabend gemacht. Die Gründe sind unbekannt. Könnte tot sein, könnte das Land verlassen haben, könnte drin sein. Jedenfalls hört man schon so lange nichts mehr von dem, daß wir wohl in Sicherheit sind. Soll heißen, wenn wir wieder auf einer falschen Fährte sind, wird man uns nicht auf die Schliche kommen, zumindest ist es unwahrscheinlich. Alles spricht dagegen, und das Glück ist leider oft genug auf der Seite von Leuten wie Simonetti, finden Sie nicht?«
    »Allerdings, ja…«
    Es ließ sich nicht verleugnen, daß alle diese Gedanken, wenn auch nur kurz, ihm ebenfalls durch den Kopf gegangen waren, während sie den langen nassen Tag lang von einem Tatort zum anderen gefahren waren. Trotzdem, als Ferrini die Gedanken des Maresciallo nun in Worte kleidete, kamen sie ihm gewichtiger vor, größer.
    Darum erwiderte er nur: »Sie sind vielleicht ein bißchen zynisch.«
    »Kommen Sie, Guarnaccia, was anderes bleibt einem bei diesem Job doch gar nicht übrig.«
    Der Maresciallo schaute in den Regen und die Abgaswolken hinaus. Die eingemummten Passanten, die zum Einkaufen unterwegs waren, versuchten ihre Beine vor den spritzenden Autos zu schützen, die Gemüsestände waren mit Plastik abgedeckt. In einem Punkt hatte Ferrini recht: Der Regen schien nicht nachlassen zu wollen. Ferrini hatte schon immer eine scharfe Zunge gehabt, das wußte der Maresciallo noch aus der Zeit, als sie gemeinsam an dem Mord im Transsexuellenmilieu gearbeitet hatten. Damals war er auch schon zynisch gewesen, doch aus seinem Zynismus war inzwischen Bitterkeit geworden. Klar, es konnte auch daran liegen, daß sie damals bei der Arbeit an dem Fall, mit dem sie gut vorankamen, so in ihre Ermittlungen vertieft waren, daß sie ein Gespräch wie dieses nie geführt hatten. Man hatte sie damals ganz allein in aller Ruhe arbeiten lassen, was ein seltenes Vergnügen war. Gut möglich, daß also nicht Ferrini sich verändert hatte, sondern die Situation. Oder es lag daran, daß man ihn zum Offizier befördert hatte. Gott sei Dank, dachte der Maresciallo, daß er das abgelehnt hatte. Er hatte sich nicht einmal die Mühe genommen, sich zu überlegen, welche Probleme auf ihn zugekommen wären. Er wollte einfach auf gar keinen Fall noch einmal die Schulbank drücken müssen und sich zum Narren machen. Und er wollte auch nie wieder in die Lage kommen, durchs ganze Land ziehen und seine Frau und seine Kinder alle paar Jahre aus ihrer Umgebung herausreißen zu müssen. Er war zufrieden mit seiner Position, Ungeheuer hin oder her. Auch dieser Fall würde vorübergehen, und er könnte zu gestohlenen Fotoapparaten und verlorenen Fahrrädern und zu der bangen Frage zurückkehren, ob er genügend Männer zur Verfügung hatte, um Ausstellungseröffnungen in Galerien zu sichern… Sie waren angekommen, dem Himmel sei Dank.
    Die riesigen, vom Regen dunkel gewordenen Steinquader und die schwarzen Eisenstäbe vor den Fenstern im Erdgeschoß verliehen der langen Fassade ein gefängnisähnliches Aussehen, doch für den Maresciallo war der Palazzo Pitti sein Zuhause, und er mußte einen Seufzer der Erleichterung unterdrücken, als der Wagen spritzend auf dem nassen Kies vor dem Eingang zum Stehen kam.
    »Wir sehen uns morgen.« Er öffnete die Wagentür.
    Ferrini bohrte ihm die Fingerspitzen fest in den Oberarm.
    »Sie wollen doch sicher noch den Bericht des Untersuchungsrichters lesen.«
    »Wie haben Sie das wieder erraten…«
    Er wollte vor allem eins – der Maresciallo erklomm die

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