Das Ungeheuer von Florenz
diesem Mord im Transsexuellenmilieu gearbeitet, stimmt's?«
»Ja.«
»Dann hat mich mein Gedächtnis also nicht im Stich gelassen. Gratuliere, das war ja Ermittlungsarbeit wie aus dem Lehrbuch. Ich hab den Fall ein bißchen verfolgt.«
»Ach, wirklich?«
»Ja. Beeindruckend. Sehr beeindruckend.«
Der Maresciallo konnte ihn nur erstaunt anschauen.
»Als ich kapierte, wer Sie sind, war ich ein wenig überrascht, Sie hier zu sehen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Das zeigt mal wieder, daß man auf Gerüchte nichts geben sollte.«
In diesem Augenblick traf der Kaffee ein, und der Maresciallo mußte seine Verwunderung die ganze folgende Stunde lang für sich behalten, während Simonetti den Charakter und die Vorstrafen des Verdächtigen schilderte.
»Ein gewalttätiger Mann, ein krankhaft eifersüchtiger Mann, ein Mann, vor dem sich seine Familie und sogar seine Freunde fürchten. Geboren 1925 in der Gegend von Mugello, nördlich von Florenz, entstammt er einer Bauernfamilie und hat selbst auch den größten Teil seines Lebens als Bauer gearbeitet. Zum ersten Mal verurteilt wurde er im Jahr 1951, im Alter von sechsundzwanzig, als er in Streit mit einer jungen Frau geriet, mit der er verlobt war, und diese sich einem anderen Mann zuwandte. Da er sich mit der Situation nicht abfinden konnte, folgte er den beiden eines Abends in den Wald in der Nähe des Dorfes, um sie zu beobachten. Das Pärchen begann sich zu lieben, und in einem bestimmten Moment, dem Moment, als der Mann die linke Brust der Frau entblößte, sprang er aus seinem Versteck hervor und fiel über sie her. Der Angriff wurde brutal und schnell geführt und war tödlich, binnen weniger Sekunden schon hatte er dem Rivalen mehrere tödliche Stichwunden beigebracht. Doch damit war seine Wut noch nicht verraucht, und er traktierte den Kopf des hingestreckten, im Sterben liegenden Mannes so lange mit Fußtritten, bis er ihm den Schädel zerschmettert hatte und ein Auge aus der Augenhöhle trat. Der Rivale war tot, doch seine Wut war immer noch nicht gestillt, und erst der weitere Tatverlauf unterscheidet das Verbrechen dieses Mannes von vielen anderen banalen Verbrechen aus Leidenschaft. Als nächstes sagte er zu seiner Ex-Verlobten: ›Jetzt kommst du dran.‹ Und er vergewaltigte sie auf dem Erdboden, unmittelbar neben dem blutüberströmten Leichnam ihres Geliebten.
Stunden später kehrte der Mann zum Tatort zurück. Ungerührt durchsuchte er die Taschen des Toten und stahl seine Brieftasche, in der sich zwanzigtausend Lire befanden. Er schleifte den Leichnam tiefer in den Wald hinein und versteckte ihn.
Bis zur Gerichtsverhandlung hatten die Ermittlungen ergeben, daß er seinem späteren Opfer schon vor dem Mord mehrfach gedroht hatte, und der Staatsanwalt plädierte dann auch auf vorsätzlichen Mord in Tateinheit mit Raub. Der Beschuldigte beharrte darauf, das Pärchen zufällig entdeckt zu haben und auf einmal in blinde Wut und Eifersucht geraten zu sein. Das Gericht nahm ihm diese Begründung ab. Er wurde zu zweiundzwanzig Jahren Haft verurteilt, von denen er dreizehn absaß.
Als er 1964 aus dem Gefängnis entlassen wurde, zog er wieder zu seiner Mutter und arbeitete eine Zeitlang als Schuster, eine Beschäftigung, bei der er sich beträchtliche Fertigkeiten im Umgang mit Klingen und Ahlen aneignen konnte. Er hatte selbstverständlich im üblichen Alter seinen Wehrdienst abgeleistet und konnte daher auch mit einer Waffe umgehen.
Bald darauf heiratete er seine jetzige Frau, die er Gerüchten zufolge wandernden Kesselflickern abgekauft haben soll. Wie dem auch sei, die Frau und ihr Vater zogen bei dem Verdächtigen und seiner Mutter ein, und wenig später – er hatte entdeckt, daß seine Frau und ihr Vater eine Inzestbeziehung unterhielten – warf er den Vater hinaus.
Im Jahre 1969 zog er aus dem Haus seiner Mutter aus und zunächst in ein Dorf südlich von Florenz, später jedoch in den Nachbarort Pontino, wo er immer noch wohnhaft ist. Das Ehepaar hatte in der Zwischenzeit eine Tochter bekommen, und durch dieses Kind kam es zu der Strafe, die der Mann gegenwärtig absitzt.
Die Tochter, inzwischen eine junge Frau von 26 Jahren, vertraute ihrem Arbeitgeber – sie ist als Dienstmädchen tätig – eines Tages an, daß ihr Vater sie seit ihrem neunten Lebensjahr mißbraucht habe. Jahrelang hatte er sie zu allen möglichen Formen von Geschlechtsverkehr gezwungen. Als kleines Mädchen hatte sie im Bett ihres Vaters, ihre Mutter dagegen im Bett
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