Das Ungeheuer
gehst du. Du mußt einen Weg finden, wie man ihm Einhalt gebieten kann.«
»Ich glaube deswegen, daß du gehen solltest, weil ich in dieser Situation besser mit Victor fertig werden kann als du.«
»Ich bezweifle, daß überhaupt irgend jemand mit Victor fertig werden kann«, sagte Marsha. »Er lebt in seiner eigenen Welt, ohne irgendwelche Beschränkungen und ohne irgendein Gewissen. Aber ich bin ziemlich sicher, daß er mir nichts tun wird, zumindest so lange nicht, wie er sicher ist, daß ich ihm keine Schwierigkeiten machen werde. Ich glaube doch, daß er dir mehr vertraut als mir. Insofern kannst du schon besser mit ihm fertig werden als ich. Er scheint deine Anerkennung zu suchen. Er will, daß du stolz auf ihn bist. In der Hinsicht scheint er nicht anders zu sein als jedes andere Kind.«
»Aber was soll ich machen?« fragte Victor, nervös auf und ab gehend. »Ich bin nicht sicher, ob die Polizei in diesem Fall eine große Hilfe wäre. Ich vermute, am ehesten verwundbar wäre er noch in der Drogensache.«
Marsha nickte bloß. Tränen schossen ihr in die Augen. Sie konnte dies alles einfach noch nicht glauben. Es fiel ihr noch immer schwer, in VJ etwas anderes zu sehen als ihren kleinen Jungen. Aber es bestand kein Zweifel: Durch die genetische Manipulation, die Victor an ihm vorgenommen hatte, war er ein Monstrum geworden. Zu versuchen, ihn zu zügeln, war zwecklos.
»Könnten wir ihn in eine psychiatrische Klinik einweisen lassen?« frage Victor.
»Wir hätten Schwierigkeiten, ihn ohne den Nachweis einer psychotischen Störung einweisen zu lassen, und eine solche ist bisher nicht zu erkennen; oder wir müßten ihn wegen Mordes anzeigen, woraufhin es zu einer Verhandlung käme, an deren Ende das Gericht ihn wegen Unzurechnungsfähigkeit in eine geschlossene Anstalt einweisen lassen würde. Aber ich bezweifle, daß wir ihm die Morde überhaupt nachweisen könnten. Ich bin sicher, daß er schlau genug war, keinerlei Spuren zu hinterlassen, zumal bei einem solch kunstvollen High-Tech-Verbrechen. Er hat eine Persönlichkeitsstörung, aber er ist nicht verrückt. Du wirst dir schon was Besseres einfallen lassen müssen. Ich wünschte nur, ich könnte sagen, was.«
»Mir wird schon irgendwas einfallen«, versicherte Victor. Er strich seinen Mantel glatt und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare in dem Versuch, sie zu kämmen. Dann holte er tief Luft und probierte die Tür zu öffnen. Sie war abgeschlossen. Er schlug viermal fest mit den Fäusten dagegen.
Nach einer halben Minute knirschte das Schloß, und die Tür ging auf. VJ stand im Türrahmen, hinter sich mehrere von den Südamerikanern.
»Ich bin bereit, mit dir zu reden«, erklärte Victor.
VJ sah von Victor zu Marsha. Sie schaute weg, um seinen kalten Blick nicht ertragen zu müssen.
»Allein«, sagte Victor.
VJ nickte und trat zur Seite, um Victor vorbeizulassen. Victor ging direkt zum Hauptlabor durch. Er hörte, wie hinter ihm VJ die Tür wieder abschloß. Er und Marsha waren jetzt also tatsächlich Gefangene, festgehalten von ihrem eigenen Sohn.
»Sie ist wirklich völlig fertig. David zu töten, deinen eigenen Bruder! Das war unverzeihlich.«
»Ich hatte keine andere Wahl«, erwiderte VJ.
»Eine Mutter wird mit so etwas nur sehr schwer fertig«, sagte Victor. VJs Gesichtsausdruck blieb unbeteiligt.
»Ich habe von Anfang an gewußt, daß es ein Fehler war, Marsha etwas von dem Labor zu erzählen«, erklärte VJ. »Sie hat nicht die gleiche Beziehung zur Wissenschaft wie wir beide.«
»Da hast du recht. Sie war entsetzt über die künstlichen
Uteri, ich war verblüfft. Ich kann beurteilen, welche ungeheure wissenschaftliche Leistung hinter ihnen steckt. Der Einfluß, den sie auf die wissenschaftliche Gemeinschaft haben werden, ist enorm. Und ihr wirtschaftliches Potential ist gewaltig.«
»Ich hoffe, daß der kommerzielle Erfolg, den sie bringen werden, mir die Möglichkeit gibt, das Kokaingeschäft aufzugeben«, sagte VJ.
»Das ist eine gute Idee. Du bringst deine Arbeit in ernste Gefahr, wenn du im Drogengeschäft mitmischst.«
»Diese Möglichkeit habe ich schon vor einiger Zeit bedacht«, erwiderte VJ, »und einige Pläne für den Fall ausgearbeitet, daß es Ärger geben sollte.«
»Das habe ich von dir auch nicht anders erwartet.«
VJ musterte Victor scharf. »Du solltest mir jetzt besser erzählen, was du vorhast!«
»Mein wichtigstes Ziel ist jetzt erst einmal, Marsha zu beruhigen«, sagte Victor. »Aber ich glaube, sie
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