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Das Ungeheuer

Titel: Das Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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dem Kartentisch. Seine Geduld ging allmählich zu Ende. »Sie wurden mir langsam zu schlau. Sie fingen an, ihr Potential zu erkennen. Ich wollte keine Konkurrenz. Ein bißchen Cephaloclor in die Milch der Kindertagesstätte - mehr war nicht nötig, um das Problem zu lösen. Ich bin sicher, daß es den meisten Kindern sogar noch gutgetan hat.«
    »Und was hast du empfunden, als sie starben?« fragte Marsha.
    »Erleichterung«, sagte VJ.
    »Kein Bedauern? Keine Trauer?«
    »Wir sind hier nicht in einer Therapiesitzung, Mutter!« fauchte VJ. »Meine Gefühle stehen hier nicht zur Debatte. Ihr kennt jetzt alle dunklen Geheimnisse. Nun seid ihr an der Reihe, die Karten auf den Tisch zu legen. Ich muß wissen, was ihr vorhabt.«
    Marsha schaute zu Victor, in der Hoffnung, er würde VJ für seine teuflischen Handlungen rügen, aber Victor starrte seinen Sohn nur mit fassungslosem Blick an, zu erschüttert, um etwas zu sagen.
    Marsha deutete sein Schweigen als Einwilligung, vielleicht sogar Zustimmung. Konnte Victor von VJs Leistungen so fasziniert sein, daß er fünf Morde einfach so abtat? Darunter den Mord an seinem eigenen kleinen Jungen? Nun, sie
    würde das jedenfalls nicht schweigend hinnehmen. Sollte Victor der Teufel holen!
    »Nun?« fragte VJ.
    Marsha wandte sich zu ihm und sah ihn an. Seine kalten blauen Augen blickten erwartungsvoll in ihr Gesicht. Ihr kristallklares Blau, das schon bei der Geburt so auffällig gewesen war, und sein engelhaftes blondes Haar rührten Marsha zu Tränen. Auch er war ihr Baby! Und wenn er solche Greueltaten begangen hatte – war das wirklich allein seine Schuld? Er war ein Monstrum der Wissenschaft. Was immer Victor in Hinblick auf VJs Genialität an Leistung vollbracht hatte - so etwas wie ein Gewissen war dabei auf der Strecke geblieben. Wenn VJ schuldig war, dann war es Victor mindestens genauso. Marsha durchströmte plötzlich eine Woge des Mitgefühls für den Jungen. »VJ«, begann sie, »ich glaube nicht, daß Victor sich aller möglichen Auswirkungen seines NGF-Experiments bewußt    war- «
    Aber VJ schnitt ihr das Wort ab. »Ganz im Gegenteil! Victor wußte sehr genau, was er erreichen wollte. Und jetzt kann er mich anschauen und das, was ich vollbracht habe, und er kann wissen, daß sein Experiment ein voller Erfolg war. Ich entspreche exakt dem, was Victor vorschwebte und was er sich erhoffte; ich bin so, wie er selbst sein wollte. Ich bin das, was die Wissenschaft erreichen kann. Ich bin die Zukunft.« VJ lächelte. »Du tätest gut daran, dich an mich zu gewöhnen!«
    »Mag sein, daß du das bist, was Victor in wissenschaftlicher Hinsicht beabsichtigte«, fuhr Marsha unbeeindruckt fort. »Aber ich glaube nicht, daß er die Art von Persönlichkeit voraussah, die er dabei schuf. VJ, was ich damit sagen will, ist, wenn du tatsächlich diese Morde begangen hast, wenn du Kokain herstellst und... die moralischen Einwände gegen diese Handlungen nicht begreifen kannst, nun, dann ist das absolut nicht deine Schuld.«
    »Mutter«, sagte VJ gereizt, »du kommst immer wieder auf Nebensächlichkeiten zurück: Gefühle, Symptome, Persönlichkeit. Ich präsentiere dir hier die größte biologische Errungenschaft aller Zeiten, und du willst wahrscheinlich, daß ich mich noch einem Rorschachtest unterziehe. Das ist absurd.«
    »Wissenschaftliche Leistung allein ist nichts«, sagte Marsha, »wenn sie nicht moralischen Prinzipien unterworfen ist. Kannst du das nicht begreifen?«
    »Genau in dem Punkt irrst du«, erwiderte VJ. »Und Victor bewies allein dadurch, daß er mich schuf, daß er die Wissenschaft über die Moral stellt. Nach den herkömmlichen Moralbegriffen hätte er das NGF-Experiment gar nicht erst in Angriff nehmen dürfen - aber er tat es trotzdem. Er ist ein Held.«
    »Was Victor tat, indem er dich schuf, war geboren aus gedankenloser Arroganz. Er nahm sich nicht die Zeit - oder wollte sie sich nicht nehmen -, um über das mögliche Ergebnis nachzudenken; er war zu besessen von seinem Ziel. Die Wissenschaft läuft Amok, wenn sie sich den Fesseln entwindet, die ihr die Moral anlegt.«
    VJ schnalzte kopfschüttelnd mit der Zunge. Dann fixierte er Marsha mit seinen grausam funkelnden blauen Augen. »Die Moral kann die Wissenschaft nicht beherrschen, weil Moral relativ und deshalb veränderlich ist. Die Wissenschaft ist das nicht. Moral basiert auf dem Menschen und der Gesellschaft, die sich im Laufe der Zeit wandeln und zudem von Kultur zu Kultur unterschiedlich sind. Was

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