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Das Ungeheuer

Titel: Das Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Thunfischsalat-Sandwiches, und VJ aß einen Hamburger. Marsha stellte mit Befriedigung fest, daß VJs Haltung sich in der Tat geändert hatte. Allmählich fragte sie sich, ob sie sich nicht grundlos Sorgen gemacht hatte: Die Tests würden wahrscheinlich ein gesundes psychologisches Porträt liefern. Sie brannte darauf, Jean nach den bisherigen Resultaten zu fragen, aber sie wußte, daß das vor VJ nicht ging. Dreißig Minuten später waren sie alle wieder bei ihren jeweiligen Aufgaben.
    Eine Stunde später schaltete Jean das Telefon erneut zum Auftragsdienst und kehrte in den Testraum zurück. Gerade als sie die Tür hinter sich schloß, meldete VJ sich: »So«, sagte er. »Fertig.«
    »Sehr gut.« Jean war beeindruckt. VJ hatte die fünfhundertfünzig Fragen in der Hälfte der üblichen Zeit beantwortet. »Möchtest du dich vor dem nächsten Test ein bißchen ausruhen?«
    »Nein, bringen wir's hinter uns!« sagte VJ.
    Neunzig Minuten lang legte Jean ihm die TAT-Karten vor. Jede zeigte ein Schwarzweißbild von Leuten in Situationen, die zu Reaktionen mit psychologischen Untertönen Anlaß gaben. VJ war aufgefordert zu beschreiben, was seiner Meinung nach auf jedem der Bilder vor sich gehe und wie den Leuten darauf zumute sei. Der Hintergedanke war, daß VJ seine Phantasien, Gefühle, Beziehungsmuster, Bedürfnisse und Konflikte in diese Bilder projizierte.
    Bei manchen Patienten war der Test nicht leicht durchzuführen. Aber bei VJ merkte Jean unversehens, daß es ihr Spaß machte. Der Junge hatte kein Problem dabei, sich interessante Lösungen einfallen zu lassen, und seine Reaktionen waren ebenso logisch wie normal. Als der Test zu Ende war, hatte Jean den Eindruck, daß VJ für sein Alter emotional stabil, ausgeglichen und reif sei.
    Als Marsha mit ihrem letzten Patienten fertig war, ging Jean zu ihr ins Sprechzimmer und reichte ihr die Computerausdrucke. Den MMPI würden sie wegschicken, damit er durch ein Programm auf größerer Datenbasis evaluiert wurde, aber der PC gab ihnen schon einen vorläufigen Report.
    Marsha sah die Papiere durch, während Jean ihren eigenen, positiven klinischen Eindruck darlegte. »Ich glaube, er ist ein vorbildliches Kind. Ich verstehe wirklich nicht, wie Sie sich seinetwegen Sorgen machen können.«
    »Das ist beruhigend«, sagte Marsha und studierte die IQ-Resultate. Das Gesamtergebnis war hundertachtundzwanzig. Das war eine Abweichung um nur zwei Punkte seit dem letzten IQ-Test, den Marsha ein paar Jahre zuvor durchgeführt hatte. VJs Intelligenzquotient hatte sich also nicht verändert, und es war ein gutes, solides, gesundes Resultat, das jedenfalls deutlich über dem Durchschnitt lag. Aber eine Diskrepanz beunruhigte Marsha doch: eine Differenz von fünfzehn Punkten zwischen dem Verbal- und dem Performanz-IQ. Die verbale Intelligenz lag niedriger als die Performanzleistung, was auf ein kognitives Problem im Zusammenhang mit einer Sprachstörung deutete. Angesichts der guten Französischkenntnisse von VJ ergab das keinen Sinn.
    »Ist mir auch aufgefallen«, sagte Jean, als Marsha sie danach fragte. »Aber da das Gesamtresultat so gut war, habe ich der Sache keine weitere Bedeutung beigemessen. Sie etwa?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Marsha. »Ich glaube, ich habe ein solches Resultat noch nie gesehen. Na ja, gehen wir mal weiter zum MMPI.«
    Marsha zog die Resultate der Persönlichkeitsinventar-Tests zu sich heran. Der erste Teil bestand aus den sogenannten Wertigkeitsskalen. Und wieder erregte hier etwas sofort ihre Aufmerksamkeit. Die F- und die K-Skala waren leicht erhöht und an der Obergrenze dessen, was als normal gelten konnte. Auch darauf wies sie Jean hin.
    »Aber sie sind noch im normalen Bereich«, beharrte Jean.
    »Sicher«, sagte Marsha. »Doch Sie müssen bedenken, daß all das hier relativ ist. Wieso sollten VJs Wertigkeitsskalen nicht annährend normal sein?«
    »Er hat den Test schnell absolviert«, sagte Jean. »Vielleicht ist er ein bißchen nachlässig gewesen.«
    »VJ ist niemals nachlässig«, widersprach Marsha. »Na, ich kann's nicht erklären. Schauen wir weiter!«
    Den zweiten Teil des Reports bildeten die klinischen Skalen, und Marsha stellte fest, daß keine davon im abnormen Bereich lag. Besonders froh war sie, als sie sah, daß Skala vier und Skala acht besonders deutlich innerhalb der normalen Limits lagen. Die beiden Skalen bezogen sich auf psychopathische Abweichungen beziehungsweise auf schizophrenes Verhalten. Marsha tat einen Seufzer der

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