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Das Ungeheuer

Titel: Das Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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daß er eine Autopsie gesehen hatte, und er hatte vergessen, wie brutal dieser Anblick war. Vor allem, wenn es sich um ein Kind handelte.
    »Können wir Ihnen helfen?« fragte der Arzt zur Rechten. Er trug eine Gesichtsmaske wie ein Chirurg, aber statt eines OP-Kittels hatte er eine Gummischürze an.
    »Ich bin Dr. Frank.« Victor hatte Mühe, die aufsteigende Übelkeit niederzukämpfen. Von dem grauenhaften Anblick abgesehen tat der faulige Geruch, mit dem selbst die moderne Klimaanlage des Raums nicht fertig wurde, das seine. »Mich interessieren das Baby Hobbs und das Baby Murray. Dr. Burghöfen hat mich heruntergeschickt.« Zögernd kam Victor durch den Raum. Er versuchte den kleinen, ausgeweideten Leichnam nicht anzuschauen. »Sind Sie Dr. Shryack?«
    »Der bin ich.« Der Pathologe hatte eine angenehme Stimme und helle Augen. »Und das ist Samuel Harkinson.« Er wies auf seinen Assistenten. »Ihre Patienten, diese Kinder?«
    »Eigentlich nicht«, antwortete Victor. »Aber ich möchte gern wissen, woran sie gestorben sind.«
    »Willkommen im Club!« sagte Dr. Shryack. »Eine seltsame Geschichte! Kommen Sie her, und schauen Sie sich das Gehirn an!« Victor schluckte. Die Kopfhaut des Kindes war aufgeschnitten und über das Gesicht herabgezogen worden. Dann hatte man den Schädel rings um die Stirn aufgesägt und den Knochendeckel abgehoben. Unvermittelt sah Victor das Gehirn des Kindes, das aus der Umhüllung herausgequollen war und dem Kind das Aussehen eines außerirdischen Wesens gab. Die Windungen waren großenteils flachgedrückt, wo sie sich von innen gegen den Schädel gepreßt hatten.
    »Das muß der schlimmste Fall von Zerebralödem sein, den ich je gesehen habe«, meinte Dr. Shryack. »Macht's uns verflixt schwer, das Gehirn herauszunehmen. Bei dem anderen habe ich eine halbe Stunde gebraucht.« Er deutete auf den zugedeckten Leichnam.
    »Bis du raushattest, wie man's am besten macht«, bemerkte Harkinson mit dem leichten Cockney-Akzent.
    »So ist es, Samuel.«
    Als Harkinson den Kopf hielt und das geschwollene Gehirn zur Seite drückte, konnte Dr. Shryack sein Messer zwischen Gehirn und Schädelbasis schieben und den oberen Teil des Spinalnervs durchtrennen.
    Mit einem dumpfen, reißenden Geräusch löste sich das Gehirn aus dem Schädel. Harkinson durchschnitt die Hirnnerven, und Dr. Shryack hob das Gehirn geschickt heraus und legte es in die Waagschale. Der Zeiger schwang wie wild hin und her und verharrte dann auf 3,2.
    »Es ist ein ganzes Pfund schwerer als normal«, stellte Dr. Shryack fest, nahm das Gehirn mit behandschuhten Händen von der Waage und trug es zu einem Waschbecken, wo ständig das Wasser lief. Er spülte geronnenes Blut und andere Verunreinigungen ab und legte es dann auf einen hölzernen Block.
    Mit erfahrenen Händen untersuchte Dr. Shryack das Gehirn nach groben pathologischen Auffälligkeiten. »Abgesehen von der Größe sieht es normal aus.«
    Er wählte ein Messer aus einer Schublade und begann halbzolldicke Scheiben abzuschneiden. »Keine Blutung, kein Tumor, keine Infektion. Der NMR-Scanner hatte wieder mal recht.«
    »Ich habe mich gefragt, ob ich Sie wohl um einen Gefallen bitten dürfte«, sagte Victor plötzlich. »Wäre es möglich, daß ich eine Probe davon in mein eigenes Labor mitnehme, um es dort untersuchen zu lassen?«
    Dr. Shryack zuckte mit den Schultern. »Ich denke schon, aber es dürfte sich nicht herumsprechen. Es wäre ein tolles Ding für den Boston Globe, daß wir Hirngewebe abgeben. Ich frage mich, was da wohl aus unserem Autopsieanteil werden würde?«
    »Ich werde es keiner Menschenseele sagen.«
    »Wollen Sie diesen Fall hier- ich glaube, es ist das Hobbs-Kind -, oder wollen Sie den anderen?«
    »Am liebsten beide, wenn Sie nichts dagegen haben.«
    »Es ist wahrscheinlich das gleiche, ob ich Ihnen eine oder zwei Proben gebe«, meinte Dr. Shryack.
    »Haben Sie die Grobuntersuchung der inneren Organe schon vorgenommen?« fragte Victor.
    »Noch nicht«, sagte Shryack. »Die steht als nächstes auf der Tagesordnung. Wollen Sie zusehen?«
    Victor zuckte mit den Schultern. »Wenn ich schon mal hier bin.«
    Auf der Rückfahrt nach Lawrence war VJ noch weniger mitteilsam als am Morgen auf der Fahrt nach Boston. Er war offensichtlich wütend über die ganze Situation, und Marsha fragte sich, ob er kooperativ genug sein würde, um die psychologische Testerei der Mühe wert sein zu lassen.
    Sie parkte der Praxis gegenüber. Drinnen warteten sie auf den Aufzug,

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