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Das Ungeheuer

Titel: Das Ungeheuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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VJ tat weder das eine noch das andere.
    »Ja, es ist wahr«, sagte er schlicht. »Tut mir leid, daß ich euch getäuscht habe. Ich entschuldige mich dafür, daß ich euch damit möglicherweise in Verlegenheit gebracht habe. Es war nicht beabsichtigt.«
    Für einen Augenblick war Marsha aller Wind aus den Segeln genommen. Wieviel lieber hätte sie die üblichen kindgemäßen Leugnungsversuche gehört! Aber sogar in diesem Fall wich VJ von der Norm ab. Sie sah zu Victor auf. Er hob die Brauen, sagte aber nichts.
    »Meine einzige Entschuldigung ist, daß meine schulischen Leistungen gut sind«, erklärte VJ. »Ich habe das als meine Hauptverpflichtung gesehen.«
    »Die Schule soll dir eine Herausforderung sein«, sagte Victor, der vermutete, daß VJs absolute Gelassenheit Marsha die Sprache verschlagen habe. »Wenn dir die Schule zu leichtfällt, muß man dich versetzen. Es ist schließlich schon vorgekommen, daß Kinder deines Alters aufs College gegangen sind und dort sogar Examen gemacht haben.«
    »Aber solche Kinder werden wie Monster betrachtet«, erwiderte VJ. »Außerdem habe ich kein Interesse an weiteren derartigen Strukturen. Ich habe im Labor sehr viel gelernt, sehr viel mehr als in der Schule. Ich möchte in die Forschung.«
    »Warum bist du nicht zu mir gekommen, um mit mir darüber zu reden?« wollte Victor wissen.
    »Weil ich dachte, so wäre es am einfachsten«, erklärte VJ. »Ich befürchtete, du könntest nein sagen, wenn ich dich fragte, ob ich mehr Zeit im Labor verbringen dürfte.«
    »Der Glaube, daß du das Ergebnis einer Diskussion schon kennst, sollte dich nicht daran hindern, den Mund aufzumachen«, entgegnete Victor.
    VJ nickte.
    Victor sah Marsha an, um festzustellen, ob sie noch etwas sagen wollte. Sie nagte gedankenvoll an der Innenseite ihrer Wange. Als sie merkte, daß Victor sie anschaute, erwiderte sie seinen Blick. Er zuckte mit den Schultern. Sie tat es auch.
    »Na, darüber sprechen wir noch mal«, sagte Victor, und die beiden verließen VJs Zimmer und gingen die Treppe hinunter.
    »Tja«, meinte Victor, »wenigstens hat er nicht gelogen.«
    »Ich komme nicht drüber weg«, sagte Marsha. »Ich war sicher, daß er es abstreiten würde.« Sie nahm ihr Weinglas, schenkte sich nach und setzte sich auf einen Stuhl am Küchentisch. »Er ist schwer einschätzbar.«
    »Aber ist es kein gutes Zeichen, daß er nicht gelogen hat?« Victor lehnte sich an die Küchentheke.
    »Offen gesagt, nein«, antwortete Marsha. »Unter diesen Umständen ist es bei einem Kind seines Alters alles andere als normal. Okay, er hat nicht gelogen, aber er hat auch nicht die leiseste Spur von Reue gezeigt. Ist dir das aufgefallen?«
    Victor verdrehte die Augen. »Du bist wirklich niemals zufrieden, was? Nun, ich bin nicht davon überzeugt, daß das so wichtig ist. Ich habe damals auf der High-School sehr oft geschwänzt. Ich glaube, der einzige Unterschied war, daß ich nie erwischt wurde.«
    »Das ist nicht das gleiche«, sagte Marsha. »Solches Verhalten ist typisch für jugendliches Rebellieren. Darum hast du es auch erst auf der High-School getan. Aber VJ ist im fünften Schuljahr.«
    »Ich glaube, ein paar gefälschte Entschuldigungen - zumal bei guten Leistungen in der Schule - bedeuten nicht, daß der Junge zu einem Kriminellen heranwächst. Er ist ein Wunderkind! Er schwänzt die Schule, um in einem Laboratorium zu sein. So wie du dich benimmst, könnte man meinen, wir hätten entdeckt, daß er Crack nimmt.«
    »Wenn es nur das Schulschwänzen wäre, würde ich mir ja keine Sorgen machen. Aber unser Sohn hat einen ganzen Komplex von Eigenschaften, die nicht in Ordnung sind. Ich begreife nicht, daß du nicht einsiehst, wie - «
    Ein Krachen vor dem Haus ließ Marsha mitten im Satz innehalten.
    »Was war das jetzt wieder?« fragte Victor.
    »Es kam anscheinend von der Garage«, sagte Marsha.
    Victor lief ins Wohnzimmer und schaltete das Licht aus. Dann holte er eine Taschenlampe aus dem Schrank und eilte zum Hoffenster. Marsha folgte ihm.
    »Siehst du was?« fragte sie.
    »Von hier aus nicht.« Victor lief zur Tür.
    »Du willst doch nicht hinausgehen?«
    »Ich werde feststellen, wer da draußen ist«, rief Victor über die Schulter zurück.
    »Victor, ich möchte nicht, daß du allein hinausgehst.«
    Victor ignorierte sie und schlich zur Tür hinaus. Er fühlte Marsha hinter sich; sie hielt ihn am Hemd fest. Ein Scharren kam von der Garagentür. Victor richtete die Lampe auf die Garage und knipste sie

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