Das Ungeheuer
Umziehen oben war. Was ist mit VJ? War er es vielleicht?«
»Das kann ich dir nicht sagen.«
Victor kippte mit seinem Stuhl auf eine Weise nach hinten, daß Marsha mit den Zähnen knirschte. Sie hatte jedesmal Angst, daß er hintenüberfallen und sich den Kopf auf den Fliesen aufschlagen würde.
»Ich hatte einen interessanten Abend im Rechenzentrum bei Chimera«, berichtete Victor und balancierte weiter halsbrecherisch mit seinem Stuhl. Er erzählte, was sich zugetragen hatte, und verschwieg nicht, daß die Spur des Hackers zu ihrem Haus geführt hatte.
Wider ihren Willen mußte Marsha lachen. Hastig entschuldigte sie sich. »Tut mir leid, das kann ich mir einfach nicht vorstellen«, erklärte sie. »All diese Anspannung, und dann erscheint plötzlich dein Name.«
»Es war gar nicht lustig«, sagte Victor. »Und ich werde darüber ein ernsthaftes Gespräch mit VJ führen müssen. So lächerlich es klingt, aber er muß in den Zentralrechner von Chimera eingedrungen sein.«
»Wird dieses ernsthafte Gespräch so verlaufen wie das, das du wegen der gefälschten Entschuldigungen mit ihm geführt hast?« spottete Marsha.
»Das werden wir sehen.« Victor war offensichtlich verärgert.
Marsha beugte sich hinüber und griff nach Victors Arm, bevor er vom Tisch aufstehen konnte. »Ich mache doch nur Spaß«, sagte sie. »Tatsächlich würde ich eher befürchten, daß du ihn in die Ecke treibst oder bedrängst. Ich fürchte, es gibt eine Seite an VJs Persönlichkeit, die wir noch nicht kennen. Eigentlich ist das der Grund, weshalb ich ihn zu Valerie schicken möchte.«
Victor nickte und löste sich dann aus Marshas Griff. Er öffnete die Wohnzimmertür. »VJ, würdest du bitte einen Moment herkommen? Ich habe mit dir zu reden.«
Marsha hörte, wie VJ meckerte, aber Victor blieb hartnäckig. Gleich darauf brach der Lärm des Videos ab. VJ erschien in der Tür. Sein Blick ging von Victor zu Marsha. Seine scharfen Augen hatten den glasigen Ausdruck, der vom vielen Fernsehen kommt.
»Bitte setz dich an den Tisch!« sagte Victor.
Mit gelangweiltem Gesicht nahm VJ gehorsam links neben Marsha am Tisch Platz. Victor setzte sich den beiden gegenüber.
Victor kam geradewegs zur Sache. »VJ, hast du heute abend oben den Computer benutzt?«
»Ja«, sagte VJ.
Marsha beobachtete, wie der Junge Victor frech anfunkelte. Sie sah, wie Victor zögerte und dann den Blick abwandte, vermutlich um nicht den Faden zu verlieren. Eine kurze Pause trat ein, dann fuhr Victor fort: »Hast du den PC benutzt, um dich bei Chimera in den Zentralrechner einzu-loggen?«
»Ja«, antwortete VJ ohne das geringste Zögern.
»Warum?« fragte Victor. Seine Stimme klang nicht mehr vorwurfsvoll, sondern verwirrt, und Marsha erinnerte sich, wie verwirrt sie selbst gewesen war, als VJ seine Schulschwänzerei so rasch zugegeben hatte.
»Der zusätzliche Speicherplatz vergrößert die Herausforderung bei einigen der Computerspiele«, erklärte VJ.
Marsha sah, wie Victor die Augen verdrehte. »Soll das heißen, du benutzt die Großrechnerleistung unserer Rieseneinheit, um Pac-Man zu spielen?«
»Wenn ich's im Labor tue, ist es auch nichts anderes.«
»Vermutlich. Wer hat dir beigebracht, das Modem zu benutzen?«
»Du«, sagte VJ.
»Daran kann ich mich nicht erinnern...« Victor brach ab, denn plötzlich fiel es ihm ein. »Das ist mehr als sieben Jahre her!«
»Kann sein«, sagte VJ. »Aber es hat sich ja am Verfahren nichts geändert.«
»Klinkst du dich jeden Freitag abend in den Chimera-Computer ein?«
»Meistens. Ich spiele ein paar Spiele, und dann treibe ich mich in den Dateien herum, am häufigsten Personal und Einkauf, manchmal auch in der Forschung- doch da sind die Stichworte schwerer zu knacken.«
»Aber warum?« fragte Victor.
»Ich will soviel wie möglich über die Firma lernen«, antwortete VJ. »Eines Tages will ich sie führen wie du. Du hast mich immer ermuntert, den Computer zu benutzen. Ich werde es nicht mehr tun, wenn du es nicht möchtest.«
»In Zukunft würde ich es für besser halten, wenn du es nicht mehr tust«, erklärte Victor.
»Okay!« sagte VJ knapp. »Kann ich jetzt mein Video weitersehen?«
»Ja«, antwortete Victor.
VJ stand vom Tisch auf und verschwand.
Marsha sah Victor an. Victor zuckte mit den Schultern. Da läutete es an der Tür.
»Entschuldigen Sie, daß ich Sie so spät noch störe«, sagte Sergeant Cerullo, als Victor geöffnet hatte. »Das ist Sergeant Dempsey von der Polizei in Lawrence.« Ein
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