Das Ungeheuer
verwirrender zu machen, enthielt die Probe, die er Robert gegeben hatte, zusätzlich zum Tumor auch kleine Bereiche mit ganz normalem Lebergewebe. Robert hatte mit gewohnter zwanghafter Sorgfalt beide Bereiche der Probe analysiert. Als Victor jetzt den DNS-Abdruck des normalen Lebergewebes mit Davids altem Abdruck verglich, war die Übereinstimmung vollkommen.
Ein Karzinom mit einer dokumentierten Veränderung der DNS zu finden, war nichts Alltägliches. Victor wußte nicht, ob er sich über eine möglicherweise bedeutende wissenschaftliche Entdeckung freuen sollte oder ob er befürchten mußte, daß er etwas herausfinden würde, das er entweder nicht würde erklären können oder nicht wissen wollte.
Victor machte sich daran, denjenigen Teil der DNS zu isolieren, der für den Tumor einzigartig war. Wenn er das Protokoll schon einleitete, würde Grimes es am nächsten Morgen leichterhaben, die Arbeit zu vollenden.
Victor verließ das Hauptlabor und ging durch den Seziersaal in die Tierkammer. Als er dort das Licht einschaltete, erhob sich jähe Aktivität in allen Käfigen.
Victor ging zu dem Käfig mit den beiden intelligenten Ratten, die das Wasser mit dem Cephaloclor bekommen hatten. Zu seinem Erstaunen war die eine Ratte bereits tot, die andere halb im Koma.
Victor holte die tote Ratte heraus, begab sich in den Seziersaal und nahm eine schnelle Autopsie vor. Als er den Schädel aufschnitt, puffte das Gehirn hervor, als sei es aufgeblasen.
Sorgfältig entnahm er eine Gewebeprobe vom Gehirn, die das Labor morgen analysieren sollte. Da läutete das Telefon.
»Dr. Frank, hier spricht Phil Moscone. Mr. Kaspwicz hat mich gebeten, Sie zu informieren, wenn der Hacker sich in Ihren Computer eingeloggt hat.«
»Ich komme sofort«, sagte Victor. Er schloß das Gehirnpräparat der Ratte ein, schaltete das Licht aus und eilte davon.
Bis zum Computerraum war es nur ein kurzer Dauerlauf. Drei Minuten später war Victor da.
Louis Kaspwicz kam geradewegs auf ihn zu. »Es sieht gut aus. Der Kerl ist jetzt seit sieben Minuten im System. Ich hoffe nur, daß er keinen Unsinn macht.«
»Können Sie feststellen, wo er sich aufhält?« fragte Victor.
»Im Moment in der Personalabteilung«, sagte Kaspwicz. »Vorher hat er eine ordentliche Masse Daten gerechnet, und dann war er im Einkauf. Es ist seltsam.«
»In der Personalabteilung?« wiederholte Victor. Er hatte den Hacker nicht für einen Jugendlichen gehalten, sondern für den Agenten eines Konkurrenzunternehmens. In der Biotechnologie herrschte ein harter Konkurrenzkampf, und mit großen Fischen wie Chimera legte sich so gut wie jeder an. Aber ein Industriespion würde sich mit den Forschungsakten befassen wollen, nicht mit der Personalabteilung.
»Wir haben ihn jetzt gefunden!« verkündete ein Mann mit einem Funksprechgerät breit grinsend.
Alle Anwesenden jubelten.
»Okay«, sagte Louis. »Wir haben seine Telefonnummer. Jetzt brauchen wir seinen Namen.«
Der Mann mit dem Funkgerät hob die Hand, lauschte kurz und sagte dann: »Die Nummer ist nicht verzeichnet.«
Mehrere der Männer, die bereits dabei waren, ihre Geräte abzubauen, buhten bei dieser Neuigkeit.
»Bedeutet das, sie finden den Namen nicht?« fragte Victor.
»Nee«, sagte Louis. »Es bedeutet nur, daß sie ein bißchen länger brauchen.«
Victor lehnte sich an einen der zugedeckten Drucker und verschränkte die Arme.
»Wer hat mal ein Stück Papier?« fragte der Mann mit dem Funkgerät plötzlich. Jemand reichte ihm einen Block. Der Mann notierte den Namen, der ihm durchgegeben wurde. »Vielen Dank! Over und out!« Er schaltete das Funkgerät aus, schob die Antenne ein und gab Louis den Schreibblock.
Louis las Namen und Adresse und wurde blaß. Wortlos reichte er Victor das Papier. Victor las. Fassungslos las er noch einmal. Auf dem Papier standen sein Name und seine Adresse.
»Soll das ein Witz sein?« Victor hob den Kopf und sah erst Kaspwicz, dann die anderen an. Niemand sagte ein Wort.
»Haben Sie Ihren PC zu Hause so programmiert, daß er sich regelmäßig in den Zentralrechner einschaltet?« fragte Louis und brach damit das Schweigen.
Victor schaute seinen Systemprogrammierer an und erkannte, daß der Mann ihm einen Notausgang zeigte. Nach verlegenem Zögern sagte Victor: »Ja... das muß es sein.« Unter größter Anstrengung bewahrte er die Fassung, dankte allen für ihre Bemühungen und verließ den Raum.
Er holte seine Jacke aus dem Verwaltungsgebäude und ging benommen zu seinem
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