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Das Unglück der kleinen Giftmischerin

Titel: Das Unglück der kleinen Giftmischerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Wulff
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müsse, und wenn es denn dazu käme, müsse sie sich dabei selbst stimulieren, um zum Orgasmus zu kommen. Oralverkehr, den er mit seinen vorherigen Partnerinnen häufig und gerne geübt hatte, war in seiner Ehe ein Tabu.
    Auch im Bericht über seine Frauenbeziehungen zeigte Luft also - wie in dem über seine Kindheitserfahrungen - die Neigung, aufgekommene Probleme zu bagatellisieren, wenn nicht sogar zu verdrängen. Dennoch enthielt die Sexualanamnese nichts eigentlich Pathologisches. Einmal über eine jugendliche Schüchternheit hinweggekommen, waren seine Liebesbeziehungen so verlaufen wie bei den meisten jungen Männern, er war auch in der Lage gewesen, einige von ihnen über Jahre aufrechtzuerhalten. In diesen Beziehungen hatten sich keinerlei deviante oder auch nur grenzwertige sexuelle Vorlieben bemerkbar gemacht, keine sadistischen oder masochistischen Neigungen, kein Fetischismus, keine Neigung zur Exhibition oder zum Voyeurismus. Auch außerhalb des sexuellen Bereiches war es nie zu irgendwelchen Gewaltakten gekommen, nie zum Versuch, jemanden seinem Willen zu unterwerfen. Luft war, wie er es selbst ausdrückte, kein Macho, sondern eher ein »Müslityp«, ein unbelehrbarer Softie.
    Aber auch Softies kann ihre ständige Selbstunterwerfung zu viel werden, ja sie können anfangen, unter ihr zu leiden, und versuchen, sich davon zu befreien. Luft meinte, genau dies sei ihm zugestoßen. Begonnen hätte das, als er den Heimweg, der ihn durch ein einsames Waldgebiet führte, auszudehnen begann. Zum ersten Mal hatte ihn ein Stau dazu veranlasst, statt der Autobahn kleinere Straßen zu nehmen. Dort fuhr er im Schritttempo durch den Wald, genoss die bezaubernde Landschaft und hing schönen Erinnerungen, Plänen und Wunschfantasien nach. Dabei überfiel ihn ein ungeahntes Glück: Während dieser Zeit empfand er sich ganz als Herr seiner Handlungen und seiner Gedanken. Am nächsten Tag fuhr er gleich Richtung Wald, ohne dass ein Stau ihn dazu genötigt hätte. Dass er wieder eine Stunde später nach Hause kam, erklärte er seiner Frau mit unverhoffter zusätzlicher Arbeit. Diese kleine Schwindelei, Luft bezeichnete sie als seine erste »Illegalität«, machte ihm allerdings ein schlechtes Gewissen, von dem er sich noch mehr bedrückt und eingeengt fühlte. Und das steigerte sein Bedürfnis, irgendwo allein und Herr seiner selbst zu sein. Bald dehnte er also auch die Hinfahrt aus und machte für seine Verspätung im Büro Staus verantwortlich. Wegen seiner hervorragenden Leistungen machte niemand ihm daraus einen Vorwurf. Aber ein schlechtes Gewissen bekam er nun auch seinen Vorgesetzten und Kollegen gegenüber. Das Verlangen, wenigstens irgendwo unterwegs er selbst zu sein, frei von häuslichen und beruflichen Zwängen, wurde immer drängender, ja es nahm einen quasi süchtigen Charakter an.
    Der nächste Schritt bestand darin, dass er auf einem Waldweg Halt machte, ausstieg und eine Weile spazieren ging. Als er dabei einmal eine junge Frau traf, die wie er allein unterwegs war, sagte er sich: Die ist ganz schön mutig, wenn einer sie hier überfällt, kann keiner ihr helfen. Und als sie aus seinem Blickfeld entschwunden war, schoss ihm der Gedanke durch den Kopf: Wie wäre es, wenn ich es bin, der sie dazu zwingt, alles zu machen, was ich möchte? Diese Vorstellung hätte ihn nicht nur erregt, sondern auch eine innere Zufriedenheit in ihm erzeugt.
    Diese Überlegungen führten dazu, dass er auf seinen umwegigen Heimfahrten einsame Plätze suchte, die zu solchen Fantasien passten, ja er legte sich eine regelrechte Sammlung solcher Plätze an. Eine Zeit lang genügte ihm das: Er kam zufriedener und ausgeglichener nach Hause und verkraftete auch den Arbeitsstress besser. Aber die Gratifikation, die von solchen für sexuelle Attacken »geeigneten« Landschaftsbildern ausging, nutzte sich rasch ab. Er arbeitete dem entgegen, indem er sich Handschellen, Knebel und Klebeband kaufte und in den Kofferraum packte, und wenn er nun auf Frauen traf, so stellte er sich den Überfall auf sie und ihre Willfährigkeit in allen Details vor. Diese Konkretisierung der Szene brachte wiederum für eine Weile Entlastung. Aber dann verpuffte allmählich auch hier die Wirkung und er sagte sich: Ich komme ohne das nicht zurande, eines Tages muss ich es wirklich tun.
    So zog er sich bei seinen nächsten Wegpausen Freizeitkleidung an und folgte zum ersten Mal einer Frau. Wie bei einem Katze-und-Maus-Spiel ließ er sie mehrfach aus seinem

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