Das unheimliche Haus
einen knallroten Kopf bekommen. Wenn die Maxen jetzt wortlos ihre Räder herumwarfen und die Kurve kratzten, blieb von ihrem wunderschönen Plan nur noch eine Staubwolke übrig.
Und tatsächlich setzte sich Ulli Buchholz auch schon wieder aufrecht in seinem Sattel zurecht. »Jammerschade, das wär’s dann wohl«, meinte er. Aber gleichzeitig blickte er lauernd zu den Glorreichen hinüber. »Oder soll das bloß ein Trick sein?«
»Er ist total durch den Wind, was man ja verstehen kann«, lenkte Paul Nachtigall ein. »Und was da gerade so aus ihm herausgesprudelt ist, muß man nicht ernst nehmen, vergessen wir’s.« Er legte Manuel eine Hand auf die Schulter, blieb mit dem Blick aber bei den Maxen. »Wir wollen uns mit euch einigen, das ist abgemacht, wie gesagt.«
»Das Problem ist die Übergabe«, meinte Emil Langhans. »Macht euren Vorschlag.«
»Wo habt ihr eigentlich euren Stiftenkopf gelassen?« fragte Ulli Buchholz plötzlich wie aus heiterem Himmel.
»Seine Großmutter feiert heute ihren neunzigsten Geburtstag«, schwindelte Emil Langhans aus der linken Hand. »Vermutlich muß er ein Gedicht aufsagen oder so was.«
»Ist sein Vater nicht der Großmogul von den Bad Rittershuder Nachrichten wollte Ulli Buchholz wissen.
»Ja, sein Alter ist der Chefredakteur.«
»Na, dann wird er ja nicht gerade an die Decke springen«, erwiderte Ulli, »wenn er in diesem Jahr die Staffel der Maximilianschule in seinem Käseblatt als Sieger abdrucken muß.«
»Es wird ihm leider nichts anderes übrigbleiben«, bemerkte der Boß der Glorreichen gelassen.
Der große Bursche mit dem Babygesicht verdrehte theatralisch die Augen. »Unsere Charakterköpfe auf der ersten Seite«, flötete er, »man wird sich um die Zeitungen prügeln.«
Pustekuchen, dachte Sputnik unter seiner Astronautenmütze grimmig. Und die anderen neben ihm dachten etwas Ähnliches. Aber dabei grinsten sie verlegen und hielten wohlweislich den Mund.
Zur selben Zeit bogen Karlchen Kubatz und Fritz Treutlein in die Rotwiesenstraße ein. Ihre Hemden waren durchgeschwitzt und klebten naß auf ihren Rücken.
»Da drüben ist es«, keuchte Fritz Treutlein.
Sie verlangsamten ihre Fahrt und pumpten nach Luft.
Als sie dann vor dem Haus Nr. 18 ihre Fahrräder an den niedrigen Gartenzaun lehnten, beruhigte sich ihr Atem bereits wieder. Der Bürstenhaarschnitt nahm seine Schulmappe vom Gepäckträger. Dann stiefelten sie nebeneinander zur Haustür, und der Friseurlehrling klingelte.
Sie hörten das Läuten, aber im Haus rührte sich nichts. Nur ein Sprengwagen der Straßenreinigung rollte langsam vorbei. Sein Wasserstrahl erreichte gerade noch den Gehsteig.
Fritz Treutlein klingelte zum zweitenmal.
»Ich schlag’ glatt ein Fenster ein«, drohte Karlchen Kubatz. »Besondere Situationen rechtfertigen besondere Maßnahmen.«
»Immer schön auf dem Teppich bleiben«, murmelte der Friseurlehrling. »Aber wenn wir hier noch lange herumstehen, wird die Nachbarschaft aufmerksam, und das wäre nicht im Sinne des Erfinders.«
Jetzt drückte zur Abwechslung Karlchen Kubatz auf den Knopf, und wieder hörten sie, wie hinter der Tür die Glocke durch das Haus schnarrte. Beinahe gleichzeitig fragte eine piepsige Stimme: »Wer ist denn da?«
Die beiden Jungen drehten sich um. Zuerst sahen sie nur eine
leere Ziegelsteinwand. Aber dann schob sich ein flachsblonder Mädchenkopf um die Ecke. »Ich soll niemand reinlassen, verschwindet wieder, und zwar zack-zack.«
»Sehr richtig«, entgegnete Karlchen Kubatz. »Die Welt ist voller Gefahren, und überall strolchen böse Menschen herum.« Sein bekümmert dreinblickendes Gesicht hellte sich auf. »Aber wir wollen zu unserem Freund Ulli. Er hat gesagt, daß er um diese Zeit zu Hause wäre. Leider haben wir uns verspätet.«
Dabei waren die beiden auf das Mädchen zugegangen und standen jetzt vor ihm.
»Mein Bruder ist nicht da, und ich bin im Garten«, sagte die Kleine. Sie steckte in einem tomatenroten Badeanzug und hatte eine Metallspange über den oberen Zähnen. Ihr linker Fuß war von den Zehen bis über den Knöchel eingegipst.
»Dann warten wir eben«, schlug Karlchen Kubatz vor. »Es ist nämlich enorm wichtig, und bestimmt kommt er gleich zurück.« Dabei hob er bedeutungsvoll seine Schultasche ein wenig in die Höhe. »Wir schreiben morgen die letzte Klassenarbeit vor den Zeugnissen, und da müssen wir unbedingt noch einmal gemeinsam...«
»Zeugnisse sind blöd«, nörgelte das kleine Mädchen und humpelte an
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