Das unheimliche Haus
Alarmbereitschaft und dafür, daß wir umgehend abhauen.«
Schon kurz darauf kurvten sie freihändig über die Landstraße, ließen die Arme baumeln oder hatten die Hände im Nacken verschränkt. Sie fuhren Bögen und pfiffen vor sich hin. Selten waren sie so gut gelaunt und mit sich selbst zufrieden gewesen.
Dagegen hatte der Anführer der Maxen nicht den geringsten Grund zur guten Laune, und zufrieden war er auch nicht.
Er hatte sich gemeinsam mit seinen Spezis bei Rinaldo noch lustlos ein gemischtes Eis genehmigt, und dabei hatte der große
Junge mit dem Babygesicht ausgesprochen, was alle insgeheim dachten: »Das Treffen mit den Glorreichen war das reinste Affentheater. Kann mir einer erklären, wieso wir bei ihnen antanzen sollten?« Keiner konnte es.
Inzwischen radelte Ulli Buchholz in die Rotwiesenstraße hinein.
Schon auf dem Weg durch den Garten war seine kleine Schwester mit ihrem Gipsfuß um ihn herumgehüpft und hatte munter von zwei Freunden geplappert, die vor einer guten Stunde plötzlich vor der Haustür standen und ihn besuchen wollten. »Sie haben dir in deinem Zimmer eine Nachricht hinterlassen«, piepste die Kleine mit dem flachsblonden Pferdeschwanz. »Sie waren richtig nett und haben mit mir gespielt, und der eine hat einen lustigen Stiftenkopf.«
»Stiftenkopf?« wiederholte Ulli, und er ahnte Schlimmes.
Er warf sein Fahrrad auf den Rasen und stürmte durch den Wohnraum in sein Zimmer.
Schon als er die Tür aufriß, entdeckte er die aufgezogene Schublade an seinem kleinen Schreibtisch. Er blieb wie erstarrt stehen. Das Blut schoß ihm in den Kopf, und er zitterte am ganzen Körper. Er ballte die Fäuste, und es gelang ihm, einen Schrei zu unterdrücken. Er ließ sich bäuchlings auf sein Bett fallen. Mit zuckenden Schultern heulte der Boß der Maxen in seine Arme hinein.
Seine kleine Schwester beobachtete ihn mit großen Augen von der Tür her. So hatte sie ihren Bruder noch nie erlebt. »Hab’ ich was falsch gemacht?« fragte sie zaghaft.
»Nein, nein. Alles okay, Gipsbeinchen«, antwortete Ulli nach einer ganzen Weile, ohne sich zu bewegen. »Ich bin ein ganz blöder Idiot, das ist alles. Und jetzt sei lieb und laß mich allein.«
»Du bist kein Idiot«, protestierte der flachsblonde Pferdeschwanz schwach, blieb noch kurz stehen und humpelte dann in den kleinen Garten hinaus.
Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis Ulli Buchholz wieder klar denken konnte.
Die Glorreichen Sieben hatten ihn eiskalt ausgetrickst, und er hatte seine Chance leichtsinnig verspielt. Er hätte doch damit rechnen müssen, daß die anderen alles dransetzen würden, um den Film und die Fotos in ihre Hand zu bekommen. Aber er war sich seiner Sache zu sicher gewesen, bestimmt lachten sie sich jetzt halbtot über ihn. Er war blamiert bis auf die Knochen. Und was sollte er seinen Maxen sagen, wie sollte er ihnen beibringen, was passiert war? Ausreden hatten so kurze Beine wie Lügen. Er mußte mit der Wahrheit herausrücken, etwas anderes blieb ihm gar nicht übrig. Aber er würde es erst dann tun, wenn er wußte, wie man die heutige Niederlage wieder ausbügeln konnte. Es mußte eine Idee her, die alles Bisherige in den Schatten stellte. Er warf sich auf den Rücken, starrte an die Decke und grübelte.
Er grübelte drei volle Tage lang und manchmal auch nachts, denn die Glorreichen Sieben geisterten oft durch seinen Schlaf. Als er in der Städtischen Badeanstalt gerade vom Sprungbrett federte und sich auf einen doppelten Salto konzentrierte, zuckte der rettende Einfall durch seinen Schädel. Mitten beim Wirbeln durch die Luft. Manometer, ja, das war haargenau die Retourkutsche, die der Arzt den Glorreichen Sieben verschrieben hatte. Es spritzte beim Eintauchen etwas mehr, als es eigentlich durfte. Und Ulli blieb auch länger unter Wasser als sonst nach einem Sprung. Ganz gelöst ließ er sich eine Weile treiben. Dieser Gegenschlag würde die Glorreichen treffen bis ins Mark. Wie Maikäfer, die auf den Rücken geplumpst sind, würden sie nur noch hilflos mit den Beinen zappeln. Er spreizte seine Füße auseinander, stieß sich ab und tauchte auf.
Schon in der nächsten Minute fing er an, für den Nachmittag seine Maxen zusammenzutrommeln.
Aber es sollte anders kommen — ganz anders, als es sich der breitschultrige Junge aus der Rotwiesenstraße Nr. 18 vorgestellt hatte.
Übrigens ratterten gleichfalls schon seit drei Tagen und auch nachts in dem früheren Luftschutzbunker eines gewissen Carlo Maurus
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