Das unheimliche Haus
buschigen Augenbrauen. Er stand am Fenster seines Frankfurter Hochhausbüros und beobachtete beim Telefonieren so nebenbei ein Flugzeug, das nach seinem Start hinter den Dächern ziemlich steil in den Himmel stieg. Vermutlich war es eine Boeing 737. »Wenn sie es mit Zehnmarkscheinen probieren, hält sich der Schaden noch in Grenzen. Aber bei Tausendern geht’s in die Millionen.«
»Tausender sind zu schwer unterzubringen«, gab der Berliner Kommissar zu bedenken. »Das werden sie kaum riskieren.«
»Wenn der >Mandarin< dahintersteckt, müssen wir mit allem rechnen.«
»Und das glauben Sie?« fragte Jascheck nun erstaunt.
»Lange genug hat er sich ja nicht mehr gerührt, und bestimmt kribbelt es ihn wieder in den Fingerspitzen. Zudem war dieser Diebstahl nur möglich mit einer eingespielten Organisation im Hintergrund. Weit und breit stellt so was nur der >Mandarin< auf die Beine. Er muß Komplizen und Helfershelfer gehabt haben bis in die Papierfabrik hinein.« Der Hauptkommissar wanderte der Telefonstrippe nach zu seinem Schreibtisch zurück. »Kommt noch dazu, daß ich immer noch zwei und zwei zusammenzählen kann. Dieser Papierraub, der schlagartig verschwundene Otto Kroll und der wohl gleichfalls verduftete Hugo Stielicke: Dazu paßt doch der >Mandarin< wie der Deckel auf die Mülltonne.« Die Stimme des Hauptkommissars war lauter geworden. Jetzt beruhigte sie sich wieder. »Lieber Kollege, tun Sie alles, um sofort herauszukriegen, ob Stielicke noch in Berlin ist. Notfalls stellen Sie diese ganze Pension auf den Kopf, bis sie ausspuckt, wo sich der Kerl herumtreibt. Ich bleibe im Büro und erwarte Ihren telefonischen Bericht. Gutes Gelingen.«
Kommissar Jascheck hörte das Klicken und legte daraufhin ebenfalls den Hörer auf. Er lehnte sich in seinen Drehstuhl zurück und starrte eine ganze Weile zur Decke. Ein Zahnarzt hätte ihm in dieser Stellung gut einen Zahn ziehen können. So blöd ist er doch nicht, dachte er. Das kann nicht wahr sein. Und wenn es wahr ist, dann versteh’ ich das nicht.
Er entwirrte plötzlich seine Beine, ging mit energischen Schritten zur Tür, riß sie auf und fragte: »Könnt ihr euch vorstellen, daß sich Stielicke schon wieder die Finger verbrennen will?«
Die uniformierten Revierbeamten im Vorraum hatten verwundert aufgeblickt.
»Unser Hugo Stielicke?« fragte einer ungläubig. »Der ist doch so harmlos wie ein Schmetterling.«
»Spätestens in einer halben Stunde werden wir’s wissen«, bemerkte der Kommissar. Er angelte sich bei der Fahrbereitschaft einen roten Taunus und brauste los.
Es hatte sich inzwischen eingeregnet, und auf dem nassen Asphalt des Kurfürstendamms spiegelte sich die Straßenbeleuchtung, die noch immer brannte.
Kurz nach der Knesebeckstraße fing der Wagen an zu stottern. Herr Jascheck guckte zur Benzinuhr. Ihr Zeiger rührte sich nicht und stand auf Reserve.
Es gibt eben Tage, an denen alles schiefgeht.
Mit dem letzten Tropfen im Tank hüpfte der Taunus wie ein Huhn, das sich ein Bein gebrochen hat, in die nächstbeste Parklücke. Jascheck fluchte auf die Fahrbereitschaft der Berliner Kriminalpolizei, stellte seinen Mantelkragen hoch und stapfte mit ungezogenem Kopf durch den Regen zur Clausewitzstraße.
Die Pensionswirtin war gerade in der Küche beim Geschirrspülen, als es läutete. Sie kam mit einer umgebundenen Schürze und mit einem Handtuch über dem Unterarm an die Tür.
Der Kommissar stellte sich vor, zeigte seine Polizeimarke und ließ verlauten, weshalb er durch den Regen gestiefelt und die drei Stockwerke zur Pension Flora hinaufgeklettert war.
Frau Schiemann hatte den Herrn Jascheck so freundlich begrüßt wie einen neuen Gast, der ihr schon gleich nach dem Frühstück ins Haus schneit. Jetzt zogen sich ihre Augen zusammen, bis sie wie Stecknadelköpfe aussahen.
»Er hat seine Rechnung bezahlt und ist abgereist«, sagte sie kurz angebunden.
»Und wann, bitte, war das genau?« wollte der Kommissar wissen. »Hat er ein Flugzeug genommen, die Bahn, oder ist er per Auto abgedampft? Wissen Sie, wohin er gereist ist, und hat er vielleicht seine neue Adresse hinterlassen? Es könnte ja sein, daß Sie ihm seine Post nachschicken sollen.«
Nach jeder Frage machte er eine Pause und wartete auf Antwort. Aber die Besitzerin der Pension konnte sich lediglich an den Tag erinnern, an dem Hugo Stielicke ihr Haus verlassen hatte. Nicht einmal die Uhrzeit konnte sie sagen.
Kommissar Jascheck bohrte weiter. »Hat er während seines
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