Das unheimliche Haus
Aufenthaltes Besuche empfangen, und telefonierte er häufig? Dabei würden mich Ferngespräche besonders interessieren. Möglicherweise haben Sie die Nummern notiert, die er angerufen hat? Wegen der Bezahlung, meine ich.«
»Schon mal was von Datenschutz gehört?« fragte Frau Schiemann schnippisch zurück. »Außerdem müßte ich einen Kopf haben wie ein Elefant, wenn ich mir alles merken sollte, was hier passiert. Herr Stielicke war ein äußerst angenehmer Gast, aber doch nur einer unter fünfzehn oder achtzehn anderen.«
»Das gibt’s doch nicht«, erwiderte der Kommissar mit einem kleinen Lächeln. »Sie wären die erste Pensionswirtin, die nicht neugierig ist.« Er fragte hartnäckig weiter, abwechselnd katzenfreundlich und kurz darauf wieder knallhart. »Vielleicht bringt es Sie zum Sprechen, wenn ich Ihren Laden schließen lasse«, drohte er endlich.
Aber die Frau ließ sich nicht einschüchtern. »Sie stehlen mir meine Zeit«, erwiderte sie knochentrocken. »Und Zeit ist so ziemlich das einzige, das man sich nicht neu kaufen kann, wenn sie aufgebraucht ist. Suchen Sie sich andere, die Sie leichter beklauen können.« Sie ließ den Kommissar im Flur stehen und wanderte in ihre Küche zurück. Dort hatte die Spülmaschine gerade zu brummeln aufgehört.
Herr Jascheck ging hinter ihr her und lehnte sich an den Türrahmen. »Ich möchte mich in Stielickes Zimmer umsehen.«
»Sie haben wirklich Pech«, nuschelte die Besitzerin der Pension Flora. »Nummer zwölf«, sie blickte kurz über ihre Schulter, »da hat er gewohnt. Aber Nummer zwölf gehört seit gestern einer jungen Dame, und die schläft noch, weil sie in einem Nachtclub arbeitet und erst morgens um vier oder fünf nach Hause kommt.« Sie räumte das Geschirr in einen Wandschrank. »Außerdem würde Ihnen eine Durchsuchung nichts bringen. Wenn ein Gast auszieht, wird nämlich saubergemacht, bis die letzte Haarnadel und bis das letzte Streichholz verschwunden ist. Bei mir herrscht Ordnung, Herr Kommissar.«
»Ich werde ihn schon auftreiben«, knurrte Jascheck. »Und wenn es sein muß, komme ich wieder und immer wieder. Wir sind noch nicht fertig miteinander.«
»Machen Sie beim Gehen bitte die Tür im Korridor zu«, sagte Frau Schiemann seelenruhig. Sie wartete ab, bis Jaschecks Schritte im Treppenhaus verklangen, dann huschte sie zum Telefon, nahm den Hörer ab und wählte. Sie kannte die Nummer auswendig, obgleich sie ziemlich viele Zahlen hatte.
Nach einer Weile meldete sich eine tiefe, verrauchte Stimme. Wer sie einmal gehört hatte, konnte sie mit einer anderen nicht mehr verwechseln.
Auch Kriminalkommissar Jascheck telefonierte. Er war mit einem Taxi zu seiner Dienststelle zurückgefahren und hatte zuerst einmal im Erdgeschoß bei der Fahrbereitschaft seine Verärgerung abgeladen. Dann hatte er sich an seinen Schreibtisch mit dem Sonderdezernat K 1 in Frankfurt verbinden lassen. »Keine besonders gute Nachricht«, meldete er und berichtete von seinem Besuch in der Pension Flora. »Vermutlich sind Sie jetzt enttäuscht, Herr Hauptkommissar, aber diese Dame hat es faustdick hinter den Ohren, und sie lügt wie gedruckt. Ich würde wetten, daß sie ganz genau weiß, wo Stielicke untergetaucht ist. Aber ich zieh’ es ihr noch aus der Nase, so wahr ich mit Vornamen Luciano heiße.«
»Ein hübscher Name«, bemerkte Herr Havelstein.
»Meine Großmutter ist Italienerin.«
»Im übrigen bin ich keinesfalls enttäuscht«, versicherte der Hauptkommissar in seinem Frankfurter Hochhausbüro. »Ich hatte ja damit gerechnet, daß unser Freund verduftet ist.«
Wenn Hauptkommissar Havelstein in diesem Augenblick den Kopf nur um ein paar Grad nach rechts gedreht hätte, dann würde er haargenau in die Richtung einer Autobahnbrücke geblickt haben. Sie war in der Luftlinie nur einen knappen Kilometer entfernt und wurde in diesem Moment von einem Wohnmobil überquert, das zur einen Hälfte himmelblau und zur anderen Hälfte schneeweiß lackiert war. Vor seinen Fenstern hatte man die Jalousien zugezogen, und der dicke Mann hinter dem Steuer pfiff eine Melodie mit, die aus dem Autoradio kam.
Wie kommt ein Öltanker ins Schwimmbecken
In der Blumenhandlung am Marktplatz strahlten an diesem Mittag nicht nur der Klatschmohn und der Rittersporn um die Wette. Die ganze Familie Kohl strahlte und war aus dem Häuschen. Am liebsten hätte sie den Laden dichtgemacht und ein Schild an die Tür gehängt mit dem Hinweis, daß heute wegen eines erfreulichen
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