Das unheimliche Medium
eine Lösung, die Nora auch sehr schnell begriff.
Gefahr!
Ja, nur das konnte es bedeuten. Es war die reine Gefahr, die sich ihr näherte, und sie überlegte plötzlich, ob sie nicht doch einen Fehler begangen hatte. Was hatte sie unter Umständen falsch gemacht oder nicht beachtet, daß irgendwelche Gegner auf den Plan gerufen worden waren? Gab es die überhaupt? Waren Menschen so stark genug, um es mit dem Geisterreich aufzunehmen? Oder kam die Gefahr etwa aus den eigenen Reihen?
Nora wußte leider keine Antwort. Ihre Euphorie und das Gefühl der Sicherheit waren verschwunden. Dafür erfaßte sie ein Paradoxon. Sie glaubte, daß in ihrem Innern ein kleines Feuer loderte. Ihr Herz würde verbrennen!
Schwer holte sie Luft. Im nächsten Moment drehte sich die Umgebung vor ihren Augen. Der Bildschirm wurde zu einem schwankenden Kreisel, was aber bald vorbei war.
Sie atmete auf und schrak gleichzeitig zusammen. Da war jemand!
Auf dem Schirm zeichnete sich eine Gestalt ab. Es war die Gefahr, und sie hatte sich personifiziert. Diese Gestalt war ein Mensch, ein Mann, wie Nora deutlich erkannte. Der Mann hatte kein Gesicht, er war nur ein Schatten auf dem graugrünen Hintergrund. Das Mädchen, sehr sensibilisiert, spürte deutlich die Ströme, die ihr da unsichtbar entgegen wehten.
Daran trug die Gestalt die Schuld. Ja, nur sie…
Nora zog ein Fazit. Es gab also einen Feind. Und sie konnte sich vorstellen, daß sich dieser Gegner auch in der Nähe aufhielt, was nichts anderes hieß, als daß er im Ort war. Er hielt sich in Weldon verborgen.
Auch für eine Person wie sie war es schwer, dies zu begreifen. Mit den gespreizten Fingern fuhr sie durch ihr Haar. Dabei lauschte sie wieder dem Knistern, bevor das Haar wie eine Welle zurückflutete. Sie ging auf den Monitor zu. Möglicherweise konnte sie aus der Nähe mehr sehen, aber das war auch nicht der Fall. Die Gestalt blieb gesichtslos.
Die Warnung ihrer Freunde stand im Raum. Und Nora wußte jetzt sehr genau, was sie zu tun hatte. Würde sie noch wie ein Kind denken, hätte sie anders reagiert und wäre wahrscheinlich geflüchtet. Aber sie dachte wie eine Erwachsene und vertraute auch auf die Macht ihrer Freunde.
Deshalb mußte sie das Haus verlassen und die Gefahr suchen.
Es gab mehrere Telefone im Haus. Auch unten in der großen Diele stand eines. Das Mädchen schreckte zusammen, als der Apparat schrillte.
Abheben oder nicht? Sie entschied sich dafür. Wahrscheinlich war es die Tante. Sie war immer unruhig, wenn ihre Nichte allein war.
»Ja…«
Dinah Shane war es tatsächlich. Das Mädchen hörte sie schnaufen.
»Schein, daß du da bist.«
»Wo sollte ich denn sonst sein?«
Die Frau lachte. »Ja, wo schon? Ich weiß es nicht. Ich… ich… nur eine seltsame Ahnung.«
»Ahnung?«
»Ach, das verstehst du nicht.« Sie räusperte sich. »Ist sonst alles in Ordnung?«
Nora schaute sich um und lächelte. »Ja, Tante Dinah, es ist alles super.«
»Na, das freut mich. Nur eines noch: Deine Stimme klingt so anders. Wie kommt das?«
Das Mädchen zuckte zusammen. »Es mag daran liegen, daß ich müde bin.«
»Nein, nein, das Gegenteil ist der Fall. Sie klingt nicht müde. Du wirkst eher aufgekratzt.«
»Das kann nicht stimmen, Tante Dinah. Ich wollte gerade ins Bett gehen, glaub mir.«
»Na ja, wie du meinst.« Im Hintergrund hörte Nora Stimmen. Die Freunde drängten Dinah Shane, endlich aufzulegen. Sie tat es, nachdem sie noch Grüße übermittelt hatte.
Nora war zufrieden. Jetzt hatte sie aus der Richtung nichts mehr zu befürchten. Nur aus einer anderen. Die Gefahr war da. Aber Nora würde sie vernichten!
Suko gähnte, verringerte die Geschwindigkeit und dachte darüber nach, daß es eigentlich Irrsinn war, was er hier tat. Durch die Nacht zu rasen, und das nur auf einen Verdacht hin. Allerdings hatte sein Freund John Sinclair ihn ausgesprochen, und da war die Lage schon anders.
John alarmierte nicht ohne Grund. Wenn er allein nicht zurechtkam, mußte er in Schwierigkeiten stecken. Suko erinnerte sich an das Gespräch mit dem Geisterjäger. Da war von einem ungewöhnlichen Licht die Rede gewesen. Bisher hatte der Inspektor noch kein derartiges Leuchten gesehen. Er war durch die Nacht gefahren, und die hatte sich gezeigt wie immer. Mit einer tiefen Dunkelheit, in der die Wolken am Himmel schwammen und manchmal aussahen wie weißgraue Inseln, die durch ein Meer trieben.
Nach der schon unangenehmen Wärme des Tages war es herrlich kühl geworden. Suko
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