Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee
einen miserablen Tag hatte. Er wäre wohl besser zu Hause geblieben und hätte sich Bucklewhees Geschrei angehört. Mit einem Ruck drehte er sich in die richtige Position und renkte knackend seinen Hals ein. Dann blickte er nach oben. Der Deckel seines Einmachglases hatte kleine Löcher, so dass er Luft bekam und auch viel besser hören konnte. Plim stand vor ihrem Kessel und war anscheinend sehr vergnügt. Auf einem Tisch unter dem Fenster lag ein aufgeschlagenes Buch, zu dem sie zwischendurch hinüberhuschte. Wahrscheinlich studierte sie eine Rezeptur oder eine andere Teufelei. Sie schnappte sich ein paar Kräuter, zerbröselte sie mit der Hand über dem Kessel und rührte fleißig in der blubbernden Brühe. Anschließend ging sie zur hinteren Wand des Raums, wo ein mächtiger Kleiderschrank stand. Die Türen waren halb geöffnet, da der Schrank mit Schuhen, Hüten und Kleidern dermaßen vollgestopft war, dass man ihn gar nicht mehr richtig schließen konnte. Plim zog mit Schwung die Türen auf und der halbe Inhalt flog heraus. Das brachte sie aber keineswegs aus der Ruhe. Summend durchwühlte sie den Kleiderberg, zog eine bunte Schürze hervor und stopfte anschließend das restliche Zeug wieder hinein. Nachdem sie sich die Schürze umgebunden hatte, beugte sie sich über das Buch und begann laut zu lesen.
»Zwei Finger Lurchgrütze. Hm, wenn ich Glück habe, dann müsste davon noch etwas übrig sein.« Sie ging zum Regal neben dem Fenster und kramte in einer Pappschachtel. »Ah, da ist sie ja«, murmelte sie, als sie eine zerdrückte Tube herauszog. »Ob die noch gut ist?« Sie drehte den Verschluss auf und schnüffelte. »Puh«, rief sie. »Das stinkt ja noch schlimmer als der Schuhkeller in der Jugendherberge am Dunkelpass.«
Angewidert drückte sie zwei dicke Kleckse in das Gebräu, bevor sie die Tube mit Schwung zurück in die Schachtel warf. Dann ging sie rüber zum Spiegel. Sie blickte hinein, machte ein ernstes Gesicht und nickte einmal fest entschlossen. Primus wusste nicht, was das bedeuten sollte, aber woher auch …
Miss Plim hatte ein Problem! Sie war zwar bildhübsch und außergewöhnlich attraktiv, aber sie besaß einen Spiegel, der alles andere als ehrlich war. Vielmehr war er verlogen und abgrundtief bösartig. Nur leider wusste sie das nicht. Sie hatte den Spiegel vor einiger Zeit von Glasermeister Plundersack aus Hohenweis bekommen – es war eine Art Werbegeschenk. Damit wollte er sich für die lustige Karnevalsnase bedanken, die er nach stundenlanger Verhandlung so günstig bei ihr erstanden hatte und seitdem nicht mehr abnehmen konnte.
Im Normalfall waren die Spiegel von Glasermeister Plundersack alle sehr höflich zu ihren Betrachtern und übertrieben sogar mit ihren Komplimenten. Dieser Spiegel aber, den er für Miss Plim persönlich angefertigt hatte, war von einer gänzlich anderen Sorte:
Am Anfang lobte der Spiegel noch ihre großen Augen und die schönen langen Wimpern. Doch damit war es bald vorbei. Bereits nach kurzer Zeit fing er an ihr Spiegelbild zu verändern und sie auf kleine Unebenheiten ihrer Haut aufmerksam zu machen. Schließlich kam der Tag, da sagte der Spiegel zu ihr: »Plim, du hast Pickel!« Und die zeigte er ihr auch. Von Mal zu Mal wurde es schlimmer. Ständig ließ sich der Spiegel neue Gemeinheiten einfallen. Mit Entsetzen stellte Plim fest, dass sie trotz ihrer jungen Jahre schon Falten bekam. Es folgten fettige Haare und gelbe Zähne. Die Hüftringe wurden genauso groß wie ihr Doppelkinn und ihre makellos weiße Haut sah in jenem Spiegel immerzu speckig und teigig aus. Plim war inzwischen fest davon überzeugt, dass sie potthässlich war, und jeder, der etwas anderes behauptete, den nannte sie einen alten Lügner .
Darum tat sie auch alles, um wieder ein wenig attraktiver auszusehen, wofür sie täglich einen Schönheitszauber nach dem anderen braute. Auch heute dampfte ein neuer Trank im Kessel, den sie schon seit langem ausprobieren wollte und der mit einer gesunden Fledermaus angeblich doppelt so gut wirken sollte.
Primus holte Luft.
»Hallo!«, rief er durch die Löcher im Deckel. »Hallo! Ich will hier raus!«
Plim drehte sich um und blickte suchend durch den Raum.
»HE, PLIM!!!«, schrie Primus erneut.
Sie schaute in seine Richtung, sah dann aber zu Taddel und Mills hinüber.
»Was wollt ihr denn schon wieder?«, fragte sie die beiden Kröten.
Taddel und Mills schüttelten mit unschuldigen Blicken die Köpfe. Sie zeigten mit ihren kleinen
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