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Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee

Titel: Das Unkrautland | Auf den Spuren der Nebelfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Seitz
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da«, antwortete Snigg.
    Er biss in einen Kohlkopf und fing an von seinem Abenteuer im Wald zu erzählen. Amüsiert hörte Primus ihm zu. Die Geschichte mit dem Pfirsichbaum gefiel ihm von allem am besten. Doch als Snigg den Erdspalt beschrieb und erwähnte, dass metallene Bügel in die Tiefe hinabführten, wurde Primus hellhörig.
    »Da führen Bügel hinunter?«, unterbrach er Snigg. »Was sollen denn das für Bügel sein?«
    Der Kürbis überlegte. »Na, eben so gebogene Eisenstangen«, antwortete er.
    Verblüfft sah Primus ihn an. »Meinst du etwa Steighaken ? So wie bei einer Leiter?«
    Snigg nickte. Dann erzählte er weiter.
    Primus aber hörte ihm gar nicht mehr zu. Die Sache mit dem Erdspalt erschien ihm doch überaus eigenartig. Wer, so dachte er, sollte im Finsterwald Steighaken anbringen? Die Leute in der näheren Umgebung wagten es ja nicht einmal, einen Fuß in den Wald zu setzen. Und schon gar nicht konnte er sich vorstellen, dass irgendjemand von ihnen dort in dunkle Spalten hinabklettern würde. Wo kamen also die Haken her? Vielleicht stammten sie ja von den Kobolden?! Genau! Vielleicht war es ja ein offener Eingang zu den Stollen. Aber nein, bei genauerer Überlegung konnte er sich auch mit diesem Gedanken nicht anfreunden. So ein Fehler wäre ihnen bestimmt nicht unterlaufen. Es musste etwas anderes dahinterstecken.
    Das wollte er sich gleich einmal ansehen. Der ganze Ausflug würde bestimmt nicht lange dauern – nur ein kleiner Umweg vor dem Schlafengehen. Primus schwang sich in die Luft.
    »Wenn ich dich richtig verstanden habe«, rief er, »dann fließt der Schneckenbach genau in dieses Loch hinein, nicht wahr?«
    »Ganz genau«, bestätigte Snigg und sah der Fledermaus nach, die sich sofort auf den Weg machte. Noch von weitem hörte er Primus rufen: »Na, dann kann ich es ja unmöglich übersehen.«
    Schwarz und undurchsichtig breitete sich der Finsterwald unter ihm aus. Primus kreiste im Mondlicht über den Bäumen und spähte zum Boden hinunter. Doch ohne Erfolg. Aus der Luft konnte er weder den besagten Erdspalt noch den Verlauf des Schneckenbachs erkennen. Wie sollte er auch? Schon als er am Morgen zum ersten Mal über dieses Gebiet geflogen war, hatte er bemerkt, wie dicht das Laub der Bäume war. Ihm blieb nichts anderes übrig – er musste wohl oder übel den gleichen Weg einschlagen, den auch Snigg genommen hatte, und vom Waldrand aus dem Bachlauf folgen. Schnurstracks ging es zu den Nebelfeldern. Hier konnte er den Schneckenbach schon aus der Ferne sehen, der nach den heftigen Regenfällen deutlich angestiegen war. Plätschernd schlängelte er sich von den Bleibergen durch das Hügelland, bis er am Waldrand unter den Bäumen verschwand. Primus ging tiefer. Er schoss an den äußeren Bäumen vorbei, scherte nach links aus und bog dann in einer scharfen Kurve in den Wald hinein. Von da an war er auf unbekanntem Gebiet.
    All jene, die den Distelpfad tagsüber als gespenstisch bezeichneten, hätten keine Worte gefunden, um diesen Teil des Waldes bei Nacht zu beschreiben. Wie dürre Finger bogen sich die Wurzeln über Primus’ Kopf und formten sich zu modrigen Tunneln, von denen das Wasser tropfte. Der Regen hatte die Spinnweben aufgeweicht, die nunmehr in Klumpen von den Ästen baumelten. Aus allen Ecken ertönten Geräusche. Es knackte und schlurfte, schmatzte oder klapperte. Riesige Schnecken und fingerdicke Würmer krochen am Ufer entlang, das in der Finsternis aussah, als würde es sich bewegen. Primus gab sich von alledem nur wenig beeindruckt. Er wusste, dass der Wald nach einem Gewitter besonders aktiv war und dass sich alles nur erdenkliche Getier im Unterholz tummelte.
    Im Zickzackflug ging es durch das Geäst. Er schoss durch hohle Baumstämme, sauste um Felsbrocken und achtete auf alles, was von oben auf ihn herunterfiel. Für Primus war so ein Hindernislauf nicht allzu schwierig. Schließlich war er eine Fledermaus und in dieser Gestalt konnte er sich in der Nacht genauso gut orientieren wie tagsüber als Mensch. Snigg musste er allerdings das nächste Mal unbedingt ein Kompliment aussprechen. Dass der dicke Kürbis diese Strecke allein gemeistert hatte, war schier unglaublich.
    Nach einiger Zeit hatte Primus die Lichtung erreicht, auf der der kleine Pfirsichbaum stand. Jetzt konnte es eigentlich nicht mehr weit sein. Er machte einen kurzen Bogen um den Baum, ging erneut zum Tiefflug über und folgte dem Bach auf seiner letzten Etappe. Links und rechts schoss er an den

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