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Das unsagbar Gute

Das unsagbar Gute

Titel: Das unsagbar Gute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Mähr
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außerdem versucht hatte, ihn zu erpressen, alle Geheimnisse anvertraut, auf denen sein Leben basierte. Ja, so konnte man das ausdrücken. Er hatte sich verhalten wie ein kompletter Narr. Margit Kaserer wusste jetzt alles. Nicht nur von den Drogen, sondern auch von den diversen Verstorbenen in ihren eisigen Behältnissen im Keller der Leupold-Villa. Letztere Kenntnis war unnötig; die Polizei würde schon von selber draufkommen. Wenig wahrscheinlich, dass die merkwürdige Häufung von Tiefkühltruhen (nur Truhen, keine Schränke!) nicht auffiele und den mit der Untersuchung betrauten Herrn Inspektor nicht einen Blick in die eine oder andere Truhe riskieren ließe – während der Drogenlaborbeschlagnahmungsaktion. Wenn Margit Kaserer zur Polizei ging, waren sie im Arsch. Vielleicht ist sie schon auf dem Weg dahin. Oder sie telefoniert gerade. Jetzt, in diesem Augenblick.
    Nein.
    Tat sie nicht. Das wusste er. Das hatte er so sicher im Kopf wie die Synthese von 3,4-Methylendioxymethamphetamin. Sie würde nicht zur Polizei gehen. Denn sie hatte das Auge Gottes gesehen. So wie er. Das Auge Gottes hat ganz unterschiedliche Wirkungen. Ihn hatte es zum Reden gebracht, Margit Kaserer brachte es zum Schweigen. Ihm ging es jetzt besser, ihr, das wusste er, ging es auch besser. Und ihrer Schwester Marie auch. Es konnte nicht anders sein.
    Eine Idee begann zu keimen. Eine so wertvolle Substanz durfte der Welt nicht vorenthalten werden. Wenn zwei oder drei die innere Umkehr erfahren, dann war das nicht genug. Viel mehr Menschen sollten das Auge Gottes sehen. Am bestenalle Menschen auf der Welt. Das war technisch nicht möglich. Nicht möglich für ihn, Romuald Nowak, hier und heute. Aber eine recht große Zahl von Menschen konnte er mit seinen Mitteln – doch zur Umkehr bewegen. Es brauchte ja nur geringste Mengen. Und er hatte doch die Möglichkeit … die Menschen zur Einnahme seiner Substanz zu bewegen. Weil sie glaubten, etwas anderes einzunehmen. Weil sie es freiwillig tun würden. Er musste nicht mit einem Flakon durch die Straßen laufen …
    Ungiftig war es auch. Sonst hätte Marie Kaserer die hohe Dosis nicht überlebt. Aber diese Detailfragen konnte er später klären. Jetzt galt es zu handeln, bevor Manfredo aus Wien zurückkam. Er musste eine anständige Portion von Nummer siebzehn herstellen, um damit die nächste Lieferung des Amphetamins zu verschneiden. Die Probanden würden nicht wissen, was sie da zu sich nahmen. Das machte nichts, er hatte es ja auch nicht gewusst. Und Nummer siebzehn war ein blöder Name. Er würde seine Entdeckung »Theophanin« nennen, abgeleitet von »Erscheinung Gottes«. Ein paar Tausend Einzeldosen Theophanin – und die Haupt- und Residenzstadt Wien würde ein anderer Ort sein, ein besserer als jetzt.
    Er machte sich an die Arbeit.

    *

    Es lief ganz prächtig. Anders ließ sich das nicht sagen, fand Schott, prächtig eben. Kommt von »Pracht«. Hat was Barockes, viele Farben, ausladende Formen, Goldglanz und ein bestimmtes Lebensgefühl. Eine hochadlige Dame (wer, hatte Schott vergessen) hatte geschrieben, am Hof des vierzehnten Ludwig sei man »mit einem Lächeln schlafen gegangen und mit einem Lächeln erwacht«. Das bezog sich natürlich nicht auf die Domestiken, aber sonst – wenn das die Definition des Barocken war, dann befand sich Mauritius Schott in einer eminent barockenPhase. Mit gewissen Abstrichen selbstredend: Seine Angebetete musste am Tage arbeiten, versicherte aber, die Arbeit in der Praxis sei noch nie so gut gelaufen wie zurzeit. Und die Nächte ein Rausch. Also Lächeln rund um die Uhr. Manchmal fragte er sich, ob das, was sie in der letzten Nacht miteinander angestellt hatten, tatsächlich passiert war oder übermäßiger Einbildungskraft entsprang; aber dann beruhigte er sich mit der Selbsterkenntnis, dass ihm zu solchen Ausschweifungen die Phantasie fehlte; also musste alles, woran er sich erinnerte, wohl wirklich geschehen sein. Wieso konnte er aber Dinge tun, die er nicht imstande war, sich auszudenken? Wir lösen diesen vermeintlichen Widerspruch mit dem Hinweis, dass Schott ja nicht allein war – seine Phantasie hätte ihn im Stich gelassen, die der Dr. Hildegard Rhomberg aber nicht. Kurz: Das Rauschhafte an den Nächten ging auf ihre Rechnung. Und mit diesem Hinweis wollen wir es bewenden lassen. Einerseits, weil der spezifisch barocke Zustand nicht allzu lang dauerte (… nein, nicht das Buch zuklappen!), andererseits, weil die erzählende Literatur

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