Das Unsterblichkeitsprogramm
Tebbit-Messer vom Unterarm. Als ich fertig war, strahlte mich der Polizist geradezu glückselig an.
»Vielen Dank. Sie bekommen alles wieder, wenn Sie das Gebäude verlassen.«
Er hatte kaum zu Ende gesprochen, als bereits zwei der Mohikaner durch eine Tür im Hintergrund des Saals traten und mit zielstrebigen Schritten auf mich zuhielten. Ihre Gesichter hatten einen identischen düsteren Ausdruck, den offenbar auch die Subsonik in der kurzen Zeit ihres Aufenthalts im Empfangsraum nicht zerstreuen konnte. Sie griffen mich links und rechts an den Armen.
»Das würde ich nicht tun«, sagte ich zu ihnen.
»Bitte, er ist nicht verhaftet«, sagte der Polizist vom Empfang beschwichtigend. Einer der Mohikaner warf ihm einen Blick zu und schnaufte verzweifelt. Der andere starrte die ganze Zeit nur mich an, als hätte er seit einiger Zeit kein Fleisch mehr gegessen. Ich erwiderte seinen Blick mit einem Lächeln. Nach dem Treffen mit Bancroft war ich ins Hendrix zurückgekehrt und hatte fast zwanzig Stunden lang geschlafen. Ich war ausgeruht, neurachemisch fit und empfand eine herzliche Abneigung gegen jede Art von Autorität, auf die Quell sehr stolz gewesen wäre.
Anscheinend war es mir deutlich anzumerken. Die Mohikaner gaben den Versuch auf, mich abführen zu wollen, dann gingen wir zum Lift und fuhren schweigend drei Stockwerke nach oben. Das einzige Geräusch war das Knarren des uralten Aufzugs.
Ortegas Büro lag hinter einem Buntglasfenster, beziehungsweise hinter der unteren Hälfte, da es exakt in der Mitte durch die Decke geteilt wurde. Vermutlich schob sich die obere Hälfte raketengleich aus dem Boden des Büros über ihrem. Es war das erste Anzeichen, dass das ursprüngliche Gebäude einem anderen Zweck gedient hatte und irgendwann umgebaut worden war. Die übrigen Wände des Büros waren umweltformatiert, mit einem tropischen Sonnenuntergang über Meer und Inseln. Die Kombination aus Buntglas und Sonnenuntergang führte dazu, dass der Raum in einem sanften rötlichen Schein lag, in dem man jedes fliegende Staubteilchen erkennen konnte.
Der Lieutenant saß hinter einem schweren Holzschreibtisch, als wäre es ihre Arrestzelle. Das Kinn lag in einer Hand, und ein Knie stemmte sich gegen die Tischkante, während sie über dem Bildschirm eines antiken Laptops brütete. Davon abgesehen gab es auf dem Schreibtisch nur eine ramponiert wirkende Smith & Wesson größeren Kalibers und einen Plastikbecher mit Kaffee, dessen Hitzestreifen noch nicht gezogen war. Sie entließ die Mohikaner mit einem stummen Nicken.
»Setzen Sie sich, Kovacs.«
Ich schaute mich um, entdeckte einen Stuhl unter dem Fenster und zog ihn an den Schreibtisch. Das spätnachmittägliche Licht in diesem Raum irritierte mich.
»Hatten Sie Nachtschicht?«
Ihre Augen blitzten auf. »Was soll das heißen?«
»Gar nichts, immer mit der Ruhe.« Ich hob die Hände und deutete auf den Lichtschein. »Ich dachte nur, Sie hätten die Wände auf Ihren Zeitrhythmus programmiert. Schließlich ist es draußen zehn Uhr morgens.«
»Ach, deswegen.« Ortega brummte, und ihre Augen richteten sich wieder auf den Bildschirm. Im tropischen Sonnenuntergang war es schwer zu erkennen, aber ich meinte, dass sie graugrün waren, wie das Meer um den Mahlstrom. »Die Synchronisation stimmt nicht mehr. Die Abteilung hat das System für einen Spottpreis irgendwo in El Paso Juarez gekauft. Manchmal flippt es völlig aus.«
»Das ist hart.«
»Ja, manchmal schalte ich es ab, aber das Neonlicht ist so…« Unvermittelt blickte sie auf. »Was, zum Henker, rede ich da…? Kovacs, ist Ihnen klar, dass Sie möglicherweise ganz knapp vor der Rückkehr in die Einlagerung stehen?«
Mit dem rechten Zeigefinger und dem Daumen bildete ich einen Spalt von wenigen Millimetern Breite und blickte hindurch.
»Es hätte nur noch eine Anzeige der Wei-Klinik gefehlt, wie ich gehört habe.«
»Wir könnten Sie trotzdem aus dem Verkehr ziehen, Kovacs. Gestern Morgen um sieben Uhr dreiundvierzig sind Sie in voller Lebensgröße durch die Vordertür hinausspaziert.«
Ich zuckte die Achseln.
»Und glauben Sie nicht, dass Sie durch Ihre Meth-Beziehungen ewig organisch bleiben können. Es gibt da einen Fahrer der Wei-Klinik, der interessante Dinge über eine Entführung und Reale Todesfälle erzählt. Vielleicht hat er auch einiges über Sie zu berichten.«
»Haben Sie sein Fahrzeug beschlagnahmt?«, fragte ich beiläufig. »Oder hat Wei es zurückgefordert, bevor Sie es untersuchen
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