Das Unsterblichkeitsprogramm
Epoxidscharnieren wieder eingesetzt hatte. An der gewölbten grauen Decke gab es absolut nichts, was von Interesse gewesen wäre.
»Verraten Sie mir etwas, Ortega«, sagte ich nach einer Weile. »Der Beschatter, den Sie am Dienstagnachmittag auf mich angesetzt hatten, als ich einkaufen war. Warum war er viel inkompetenter als die anderen? Ein Blinder hätte ihn bemerkt.«
Es dauerte einen Moment, bis sie antwortete. »Mehr hatten wir nicht«, räumte sie schließlich widerwillig ein. »Es musste schnell gehen, nachdem Sie die Kleidung weggeworfen hatten.«
»Die Kleidung?« Ich schloss die Augen. »O nein! Sie haben den Anzug verwanzt? So was Simples?«
»Ja.«
Ich dachte an meine erste Begegnung mit Ortega zurück. Die Vollzugsanstalt, die Fahrt zum Suntouch House. Die totale Erinnerung spielte die Aufzeichnung im Schnelldurchlauf ab. Ich sah, wie wir mit Miriam Bancroft auf dem sonnigen Rasen standen. Wie Ortega sich verabschiedete…
»Ich hab’s!«, sagte ich und schnippte mit den Fingern. »Sie haben mir auf die Schulter geklopft, als Sie gingen. Ich kann nicht fassen, dass ich mich so blöde angestellt habe.«
»Ein Sender mit Enzymhaftung«, sagte Ortega sachlich. »Kaum größer als das Auge einer Fliege. Wir haben uns gedacht, dass Sie bei diesem herbstlichen Wetter nirgendwo ohne Ihre Jacke hingehen würden. Als Sie das Zeug in den Container warfen, glaubten wir natürlich, Sie wären uns auf die Schliche gekommen.«
»Nein. So gerissen war ich nicht.«
»Es kann losgehen«, verkündete Micky plötzlich. »Meine Damen und Herren, halten Sie Ihre Stacks gut fest, wir starten!«
Es war härter, als ich von der Anlage einer staatlichen Behörde erwartet hätte, aber nicht schlimmer als mit vielen behelfsmäßigen VR-Systemen, die ich auf Harlans Welt kennen gelernt hatte. Zuerst die Hypnos, die ihre Sonocodes pulsieren ließen, bis die matte graue Decke sich plötzlich in faszinierende Lichtwirbel auflöste und jede Bedeutung aus dem Universum abfloss wie schmutziges Wasser aus einer Spüle. Dann war ich da.
Woanders.
Es breitete sich rund um mich aus, entfernte sich rasend schnell in alle Richtungen, wie eine gewaltige Vergrößerung der Wendeltreppe, die wir hinuntergestiegen waren. Eine stahlgraue Ebene, alle paar Meter von einer nippelartigen Schwellung unterbrochen, erstreckte sich bis in die Unendlichkeit. Der Himmel hatte eine etwas blassere Grauschattierung, mit einem schwachen Muster, das Gitterstäbe und antike Schlösser anzudeuten schien. Ein netter psychologischer Trick, vorausgesetzt, die verhörten Schurken besaßen so etwas wie eine kollektive Erinnerung daran, wie ein reales Schloss ausgesehen hatte.
Vor mir wuchsen graue Möbel in sanft geschwungenen Formen aus dem Boden, wie eine Skulptur aus Quecksilber. Zuerst ein glatter Metalltisch, dann zwei Stühle auf dieser Seite und einer auf der anderen. Die Oberflächen und Kanten wirkten während der letzten Sekunden des Entstehens flüssig, dann wurden sie plötzlich fest und geometrisch eindeutig, als sich ihre Existenz vom Boden abnabelte.
Ortega tauchte neben mir auf, zuerst als blasse Bleistiftskizze einer Frau mit zitternden Linien und zaghaften Schattierungen. Während ich zusah, wurde sie von Pastellfarben durchströmt, und ihre Bewegungen wurden eindeutiger. Sie drehte sich zu mir um und griff mit der Hand in die Jackentasche. Ich wartete, bis ihre Oberflächen eine klare Färbung angenommen hatten. Sie zog ihre Zigaretten hervor.
»Wollen Sie eine?«
»Nein, danke, ich…« Mir wurde die Sinnlosigkeit des virtuellen Gesundheitsbewusstseins bewusst, also nahm ich die Schachtel an und schüttelte eine Zigarette heraus.
Ortega zündete meine und ihre mit ihrem Petroleumfeuerzeug an, und als der erste Rauch in meine Lungen biss, war es die reinste Ekstase.
Ich blickte zum geometrischen Himmel hinauf. »Ist das die Standardversion?«
»So in etwa.« Ortega schaute zum Horizont. »Die Auflösung scheint etwas höher als sonst zu sein. Wahrscheinlich will Micky ein bisschen angeben.«
Auf der anderen Seite des Tisches durchlief Kadmin die Stadien von der Skizze bis zur soliden Existenz. Noch bevor das virtuelle Programm seine Farbgebung abgeschlossen hatte, bemerkte er uns und verschränkte die Arme über der Brust. Falls meine Anwesenheit in der Zelle ihn aus dem Gleichgewicht brachte, ließ er es sich nicht anmerken.
»Schon wieder, Lieutenant?«, sagte er, als das Programm mit ihm fertig war. »Wissen Sie, dass es eine
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