Das Unsterblichkeitsprogramm
wiederholten die Möwen ihre geometrischen Muster. Die VR war billig und nicht auf einen längeren Aufenthalt ausgelegt.
»Haben Sie Zigaretten dabei?«
Ich saß auf dem kalten Sand und rauchte mit mechanischer Intensität, als sich am rechten Ende des Strandes etwas bewegte. Ich richtete mich auf und kniff die Augen zusammen, dann legte ich eine Hand auf Ortegas Unterarm. Die Bewegung löste sich in eine Wolke aus Sand oder Wasser auf, die von einem schnell fahrenden Oberflächenfahrzeug erzeugt wurde, das über den Bogen des Strandes auf uns zukam.
»Hab doch gesagt, dass sie kommt.«
»Oder jemand«, murmelte ich, während ich mich erhob und nach der Nemex tastete, die natürlich nicht da war. Die meisten virtuellen Foren waren gar nicht darauf programmiert, dass man Feuerwaffen mitnehmen konnte. Stattdessen klopfte ich mir den Sand von der Kleidung und ging den Strand hinunter, während ich das bohrende Gefühl loszuwerden versuchte, dass ich hier nur meine Zeit vergeudete.
Jetzt war das Fahrzeug nahe genug, um es als dunklen Punkt vor der aufgewirbelten Wolke erkennen zu können. Der Motor erzeugte ein schrilles Heulen, das sich in das melancholische Genörgel der Möwen mischte. Ich drehte mich zu Ortega um, die neben mir stand und die Szene leidenschaftslos verfolgte.
»Etwas aufwändig für einen Telefonanruf, finden Sie nicht«, sagte ich boshaft.
Ortega zuckte die Achseln und warf ihre Zigarette in den Sand. »Geld bedeutet nicht zwangsläufig guten Geschmack«, sagte sie.
Aus dem rasenden Punkt wurde ein gedrungener Einmann-Bodenjet mit Heckflossen in schillerndem Rosa. Er pflügte genau an der Wasserlinie durch die schwache Brandung, doch als er noch ein paar hundert Meter entfernt war, schien der Fahrer uns bemerkt zu haben, denn das Fahrzeug scherte in tieferes Wasser aus und wirbelte eine Gischtwolke auf, die doppelt so hoch wie das Gefährt war und in unsere Richtung schoss.
»Rosa?«
Wieder zuckte Ortega nur die Achseln.
Der Bodenjet kam etwa zehn Meter entfernt zur Ruhe, in einer Fontäne aus aufgewirbeltem Wasser und feuchtem Sand. Als der Sturm abgeebbt war, öffnete sich eine Luke, und eine Gestalt mit Helm und in schwarzer Kleidung kletterte heraus. Es handelte sich um eine Frau, daran ließ der passgenaue Overall nicht den geringsten Zweifel. An den Füßen trug sie Stiefel mit einem eingelegten Barockmuster aus silbernen Fäden, die von der Ferse bis zu den Zehen reichten.
Ich seufzte und folgte Ortega zum Fahrzeug.
Die Frau im Overall sprang ins seichte Wasser und kam uns mit platschenden Schritten entgegen. Sie zerrte an den Verschlüssen des Helms, bis sie sich davon befreien konnte. Langes kupferfarbenes Haar ergoss sich über die Schultern des Anzugs. Sie warf es zurück, und ein breitknochiges Gesicht mit großen, ausdrucksvollen Augen in der Farbe von gesprenkeltem Onyx, einer leicht gewölbten Nase und einem üppig gestalteten Mund kam zum Vorschein.
Die geisterhaften Spuren von Miriam Bancrofts Schönheit, die diese Frau einst besessen hatte, waren vollständig ausgelöscht.
»Kovacs, das ist Leila Begin«, sagte Ortega förmlich. »Ms. Begin, das ist Takeshi Kovacs, der von Laurens Bancroft mit den Ermittlungen beauftragt wurde.«
Die großen Augen musterten mich eindringlich.
»Sie sind nicht von der Erde?«, fragte sie mich.
»Richtig. Von Harlans Welt.«
»Ja, der Lieutenant hat es erwähnt.« In Leila Begins Stimme lagen eine ausgewogene Heiserkeit und ein Akzent, der darauf hinwies, dass sie es nicht gewöhnt war, Amenglisch zu sprechen. »Ich hoffe, das bedeutet, dass Sie geistig aufgeschlossen sind.«
»In welcher Hinsicht?«
»Gegenüber der Wahrheit.« Begin warf mir einen überraschten Blick zu. »Lieutenant Ortega sagte mir, Sie wären an der Wahrheit interessiert. Gehen wir ein Stück?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, stapfte sie parallel zur Brandung los. Ich tauschte einen kurzen Blick mit Ortega, die mir einen Wink gab, aber keine Anstalten machte, sich ebenfalls in Bewegung zu setzen. Ich zögerte einen Moment lang, dann folgte ich Begin.
»Warum reden Sie ständig von der Wahrheit?«, fragte ich, als ich sie eingeholt hatte.
»Sie wurden damit beauftragt, die Frage zu klären, wer Laurens Bancroft getötet hat«, sagte sie konzentriert, ohne sich umzublicken. »Sie möchten die Wahrheit erfahren, was sich wirklich in jener Nacht zugetragen hat. Sehe ich das richtig?«
»Also glauben Sie nicht, dass es Selbstmord war?«
»Glauben Sie
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