Das Unsterblichkeitsprogramm
es?«
»Ich habe zuerst gefragt.«
Ich sah, dass ein Lächeln um ihre Lippen spielte. »Nein. Ich glaube es nicht.«
»Lassen Sie mich raten. Sie verdächtigen Miriam Bancroft.«
Leila Begin blieb stehen und drehte sich auf der Ferse zu mir um. »Wollen Sie sich über mich lustig machen, Mr. Kovacs?«
In ihren Augen war etwas, das meine gereizte Belustigung schlagartig auslöschte.
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein, das will ich nicht. Aber ich habe Recht, nicht wahr?«
»Sind Sie Miriam Bancroft begegnet?«
»Ja, kurz.«
»Sie fanden Sie zweifellos charmant.«
Ich zuckte ausweichend die Achseln. »Gelegentlich etwas aggressiv, aber im Allgemeinen ja. Charmant trifft es ganz gut.«
Begin blickte mir in die Augen. »Sie ist eine Psychopathin«, sagte sie ernst.
Sie ging weiter. Erst nach einer Weile folgte ich ihr.
»Der Begriff ›Psychopath‹ hat keine eng umrissene Bedeutung mehr«, sagte ich vorsichtig. »Ich habe schon gehört, dass er auf ganze Gesellschaften bezogen wurde. Selbst ich wurde ein paarmal so bezeichnet. Die Realität ist heutzutage so veränderbar, dass sich kaum noch definieren lässt, wer den Kontakt zu ihr verloren hat und wer nicht. Man könnte sogar sagen, dass diese Unterscheidung bedeutungslos geworden ist.«
»Mr. Kovacs.« Jetzt lag ein ungeduldiger Tonfall in ihrer Stimme. »Miriam Bancroft hat mich angegriffen, während ich im siebten Monat schwanger war, und mein ungeborenes Kind ermordet. Meine Schwangerschaft war ihr bekannt. Sie hat vorsätzlich gehandelt. Waren Sie schon einmal schwanger?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Schade. Jeder von uns sollte diese Erfahrung mindestens einmal machen.«
»Es dürfte schwierig werden, ein solches Gesetz zu erlassen.«
Begin sah mich von der Seite an. »In diesem Sleeve machen Sie den Eindruck eines Menschen, der weiß, was Verlust ist, aber das ist nur die Oberfläche. Sind Sie das, was Sie zu sein scheinen, Mr. Kovacs? Wissen Sie, was Verlust ist? Ein unwiederbringlicher Verlust. Ist Ihnen diese Erfahrung bekannt?«
»Ich denke schon«, sagte ich steifer, als ich beabsichtigt hatte.
»Dann dürften Sie verstehen, welche Gefühle ich für Miriam Bancroft empfinde. Auf der Erde werden kortikale Stacks erst nach der Geburt eingesetzt.«
»Genauso wie dort, wo ich herkomme.«
»Ich habe dieses Kind verloren. Es gibt keine Technik, die es mir zurückbringen kann.«
Ich wusste nicht, ob die zunehmende Emotion in Leila Begins Stimme echt oder gespielt war. Meine Aufmerksamkeit ließ nach, also kehrte ich wieder an den Ausgangspunkt zurück.
»Das bedeutet nicht, dass Miriam Bancroft ein Motiv hatte, ihren Mann zu töten.«
»Natürlich bedeutet es das.« Erneut bedachte Begin mich mit einem längeren Seitenblick, und wieder zeigte sie dieses verbitterte Lächeln. »Es war keineswegs ein isoliertes Ereignis im Leben von Laurens Bancroft. Was glauben Sie, unter welchen Umständen ich ihm begegnet bin?«
»In Oakland, wie ich gehört habe.«
Das Lächeln explodierte zu einem rauen Lachen. »Sehr euphemistisch. Ja, er ist mir in der Tat in Oakland begegnet. Er traf mich in der Fleischbank, wie der Laden damals hieß. Keine besonders noble Adresse. Laurens hatte das Bedürfnis, sich zu erniedrigen, Mr. Kovacs. Das hat ihn geil gemacht. Er hatte es schon seit Jahrzehnten immer wieder getan, und ich wüsste nicht, warum er nach mir damit aufgehört haben sollte.«
»Also beschließt Miriam plötzlich, dass es ihr reicht, und ventiliert ihn.«
»Sie ist dazu imstande.«
»Davon bin ich überzeugt.« Begins Theorie war so voller Löcher wie ein gefangener Deserteur von Sharya, aber ich hatte nicht vor, dieser Frau in allen Einzelheiten darzulegen, was ich wusste. »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie für Bancroft selbst nichts empfinden? Weder in positiver noch in negativer Hinsicht?«
Wieder das Lächeln. »Ich war eine Hure, Mr. Kovacs. Eine gute Hure. Und eine gute Hure empfindet das, was der Kunde von ihr zu empfinden erwartet. Für alles andere ist kein Platz.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie Ihre Empfindungen einfach so abschalten können?«
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie das nicht können?«, gab sie zurück.
»Also gut. Was sollten Sie für Laurens Bancroft empfinden?«
Sie blieb stehen und drehte sich langsam zu mir um. Ich hatte das unangenehme Gefühl, als hätte ich ihr gerade eine Ohrfeige verpasst. Ihr Gesicht war bei der Erinnerung zur starren Maske geworden.
»Animalische Hingabe«,
Weitere Kostenlose Bücher