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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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lassen. Wer konnte schon sagen, wohin Sie sich needlecasten lassen, sobald sie aus der realen Welt ausgestiegen sind? Und ich habe es ihm geglaubt. Er hat mir Ihre Akten gezeigt. Oh, nein, er war keineswegs dumm. Ich war dumm.«
    Ich dachte an Leila Begin am virtuellen Strand und unser Gespräch, in dem es um Psychopathen gegangen war. Und an meine schnoddrigen Erwiderungen.
    »Sullivan ist nicht der Erste, der mich als Psychopathen bezeichnet hat. Und Sie wären auch nicht die Erste, die sich davon hat überzeugen lassen. Die Envoys, nun…« Ich hob die Schultern und wandte den Blick ab. »Es ist ein Etikett. Eine Vereinfachung für die öffentliche Wahrnehmung.«
    »Man sagt, dass viele von Ihnen abtrünnig geworden sind und dass zwanzig Prozent aller schweren Verbrechen innerhalb des Protektorats von ehemaligen Envoys verübt werden. Stimmt das?«
    »Der Prozentsatz?« Ich starrte durch den Regen in die Ferne. »Keine Ahnung. Da draußen sind viele von uns. Es gibt nur wenig, was man tun kann, nachdem man aus dem Corps entlassen wurde. Man verweigert uns jede Anstellung, die zu einer mächtigen oder einflussreichen Position führen könnte. Auf den meisten Welten ist es uns sogar verboten, irgendein öffentliches Amt zu bekleiden. Niemand traut einem Envoy, deshalb gibt es keine Beförderungen. Keine Karriereaussichten. Keine Darlehen, keine Kredite.«
    Ich drehte mich wieder zu ihr um. »Und das, wozu wir ausgebildet wurden, kommt kriminellen Handlungen so nahe, dass praktisch kein Unterschied mehr vorhanden ist. Nur dass es leichter ist, ein Verbrechen zu begehen. Die meisten Kriminellen sind Dummköpfe, aber das wissen Sie vermutlich. Selbst die organisierten Syndikate benehmen sich im Vergleich zum Corps wie Kinderbanden. Es ist sehr leicht, sich Respekt zu verschaffen. Und wenn man ein Jahrzehnt seines Lebens damit verbracht hat, in immer neue Sleeves zu schlüpfen und sich zwischendurch in der virtuellen Existenz des Stacks zu erholen, wirken die Drohungen der Strafgesetze ziemlich lasch.«
    Wir standen eine Weile schweigend da.
    »Das tut mir Leid«, sagte sie schließlich.
    »Sagen Sie das nicht. Jeder, der meine Akten liest, hätte genauso…«
    »Das habe ich nicht gemeint.«
    »Oh.« Ich betrachtete die Disk, die ich in der Hand hielt. »Falls Sie versucht haben, etwas wieder gutzumachen, würde ich sagen, dass es Ihnen gelungen ist. Und Sie können mir glauben, wenn ich sage, dass niemand auf Dauer sauber bleiben kann. Der einzige Ort, wo einem das gelingt, ist der Stack.«
    »Ja. Ich weiß.«
    »Gut. Dann gibt es da noch etwas, das ich gerne wüsste.«
    »Ja?«
    »Hält sich Sullivan im Moment in Bay City Central auf?«
    »Er war da, als ich losgefahren bin.«
    »Um welche Uhrzeit dürfte er heute voraussichtlich Feierabend machen?«
    »Normalerweise gegen sieben Uhr.« Sie presste die Lippen aufeinander. »Was haben Sie vor?«
    »Ich möchte ihm ein paar Fragen stellen«, sagte ich wahrheitsgemäß.
    »Und wenn er sie nicht beantworten will?«
    »Er ist nicht dumm – wie Sie bereits sagten.« Ich steckte die Disk in die Jackentasche. »Vielen Dank für Ihre Hilfe, Doktor. Ich schlage vor, dass Sie sich heute Abend gegen sieben Uhr nicht in der Nähe der Anstalt aufhalten. Noch einmal vielen Dank.«
    »Ich tue es nur für mich, Mr. Kovacs – wie ich bereits sagte.«
    »Das habe ich nicht gemeint, Doktor.«
    »Oh.«
    Ich berührte leicht ihren Arm, dann trat ich zurück und hinaus in den Regen.

 
24
     
     
    Das Holz der Bank war durch die jahrzehntelange Benutzung zu einer Reihe von bequemen hinternförmigen Mulden abgeschliffen worden, und die Armlehnen waren ähnlich modelliert. Ich legte mich der Länge nach hin und passte mich den Formen an, die Stiefel in Richtung der Türen, die ich beobachtete, dann widmete ich mich den Graffiti, die ins Holz geritzt waren. Vom langen Marsch quer durch die Stadt war ich klitschnass, aber die Halle war angenehm beheizt, und der Regen trommelte machtlos auf die langen transparenten Platten des schrägen Dachs hoch über mir.
    Nach einer Weile kam einer der hundegroßen Reinigungsroboter vorbei und wischte meine dreckigen Fußabdrücke vom Verbundglasboden. Ich beobachtete ihn müßig, bis die Arbeit erledigt und die Aufzeichnung gelöscht war, wie ich es mir auf der Bank bequem gemacht hatte.
    Es wäre nett gewesen, wenn sich meine elektronischen Spuren auf dieselbe Weise löschen ließen, aber diese Fluchtmöglichkeit gehörte zu den legendären Helden

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