Das Unsterblichkeitsprogramm
Fission City neidisch gemacht.
»Miller, ich habe keine Zeit, mich allzu lange mit Ihnen herumzuärgern. Die Wei-Klinik steht in Verbindung zu einem fliegenden Bordell, das den Namen Im Siebenten Himmel trägt. Ihre Kontaktperson war vermutlich eine Frau namens Trepp, die von New York aus agiert. Ihre Vorgesetzte ist Reileen Kawahara. Sie waren bestimmt im Siebenten Himmel, weil ich Kawahara kenne und weil sie ihre Geschäftspartner immer zu sich einlädt. Erstens, um ihre Unverletzbarkeit zu demonstrieren, und zweitens, um ihren Partnern eine unappetitliche Lektion über die Vorzüge loyalen Verhaltens zu erteilen. Haben Sie jemals etwas in dieser Art erlebt?«
Seinem Blick konnte ich entnehmen, dass ich Recht hatte.
»Gut, das ist mein Wissenstand. Jetzt sind Sie an der Reihe. Ich möchte, dass Sie mir einen Plan des Siebenten Himmels zeichnen. Fügen Sie so viele Details ein, wie Ihnen in Erinnerung geblieben sind. Ein Chirurg wie Sie müsste einen guten Blick für Einzelheiten haben. Außerdem möchte ich wissen, welchem Prozedere die Besucher des Etablissements unterzogen werden. Sicherheitsüberprüfungen, Gründe, die einen Besuch rechtfertigen, und solche Sachen. Und eine ungefähre Einschätzung, wie streng die Sicherheit dort gehandhabt wird.«
»Sie glauben, dass ich es Ihnen einfach erzählen werde?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube, dass ich Sie zunächst foltern muss. Aber ich werde es so oder so aus Ihnen herausbekommen. Es liegt ganz bei Ihnen.«
»Das werden Sie nicht tun.«
»Ich werde es tun«, sagte ich geduldig. »Sie kennen mich nicht. Sie wissen nicht, wer ich bin, und Sie wissen nicht, warum wir dieses Gespräch führen. Ich sollte erwähnen, dass Ihre Klinik mich in der Nacht, bevor ich dort aufkreuzte und Ihnen das Gesicht weggeschossen habe, zwei Tage lang virtuell verhört hat. Mit den Routinemethoden der Religionspolizei von Sharya. Ich gehe davon aus, dass Ihnen diese Software vertraut ist. Insofern ist meine Bereitschaft zur Revanche recht stark ausgeprägt.«
Es folgte eine längere Pause, in der sich die zunehmende Bereitschaft, mir zu glauben, in seiner Miene widerspiegelte. Er wandte den Blick ab.
»Wenn Kawahara herausfindet, dass ich…«
»Vergessen Sie Kawahara. Wenn ich mit Kawahara fertig bin, wird sie nur noch eine Straßenlegende sein. Kawahara hat keine Zukunft mehr.«
Er zögerte. Er stand kurz davor, doch dann schüttelte er den Kopf. Er sah zur mir auf, und ich wusste, dass ich es tun musste. Ich senkte den Blick und zwang mich, die Erinnerung an Louises Leiche wachzurufen, wie sie auf dem Tisch des Autochirurgen gelegen hatte, von der Kehle bis zur Scham aufgeschlitzt, die inneren Organe wie Appetithäppchen in Schüsseln rund um den Kopf angeordnet. Ich erinnerte mich an die kupferhäutige Frau, die ich im erstickenden Dachzimmer gewesen war, an das Klebeband, mit dem sie mich auf dem nackten Betonfußboden gefesselt hatten, an den schrillen Lärm der Todesqualen hinter meinen Schläfen, als sie meinen Körper geschändet hatten. An die Schreie und die zwei Männer, die sie wie Parfüm genossen hatten.
»Miller.« Es fiel mir schwer, mit normaler Stimme weiterzusprechen. »Soll ich Ihnen einiges über Sharya erzählen?«
Miller sagte nichts. Er bemühte sich um einen beherrschten Atemrhythmus. Machte sich auf die bevorstehenden Unannehmlichkeiten gefasst. Er war von anderem Kaliber als Direktor Sullivan, den man in einer dunklen Ecke verprügeln konnte, bis er vor Angst alles ausplauderte. Miller war zäher und vielleicht sogar konditioniert. Man stieg nicht zu einer leitenden Position in der Wei-Klinik auf, ohne einen Teil der verfügbaren Technik für sich selbst zu nutzen.
»Ich war dabei, Miller. Im Winter 217, in Zihicce. Vor hundertzwanzig Jahren. Damals existierten Sie wahrscheinlich noch gar nicht, aber ich schätze, Sie haben in den Geschichtsbüchern davon gelesen. Nach der Bombardierung wurden wir als Regime-Ingenieure verpflichtet.« Während ich sprach, verschwand die Spannung aus meiner Kehle. Ich gestikulierte mit der Zigarette. »Das ist ein Euphemismus des Protektorats, der im Klartext bedeutet, dass jeder Widerstand niedergekämpft und eine Marionettenregierung eingerichtet werden soll. Natürlich muss man zu diesem Zweck einige Verhöre durchführen, aber wir hatten keine phantasievolle Software, die uns diese Aufgabe abgenommen hätte. Also mussten wir uns selber etwas einfallen lassen.«
Ich drückte die Zigarette auf
Weitere Kostenlose Bücher