Das Unsterblichkeitsprogramm
gebräuntem, gut aussehendem Gesicht. Er trommelte einen schnellen Rhythmus auf der Tischplatte, als würde er über einen internen Empfänger einem Jazzkonzert lauschen. Seine völlig unpassende Kleidung bestand aus einem grünen Chirurgenkittel und weißen Schuhen.
Ich trat hinter einer Säule hervor und lief über den Beton zum Tisch. Der Mann im OP-Kittel blickte zu mir auf und nickte ohne ein Anzeichen der Überraschung.
»Hallo, Miller«, sagte ich. »Was dagegen, wenn ich mich setze?«
»Meine Anwälte haben mich in einer Stunde hier herausgeholt, nachdem Sie die Anklage formuliert haben«, sagte er gelassen. »Sie haben einen schweren Fehler gemacht, Kumpel.«
Er trommelte wieder im Jazz-Rhythmus mit den Fingern auf dem Tisch. Sein Blick ging an meiner Schulter vorbei, als hätte er gerade etwas Interessantes hinter einem der Bogenfenster entdeckt. Ich lächelte.
»Einen großen Fehler«, wiederholte er unkonzentriert.
Sehr behutsam griff ich nach seiner Hand und drückte sie flach auf den Tisch, damit er mit dem Getrommel aufhörte. Sein Blick kehrte abrupt zu mir zurück, als hätte ich an einer Leine gerissen.
»Was, zum Teufel, bilden Sie sich…«
Er befreite seine Hand und sprang auf, hielt jedoch unvermittelt inne, als ich ihn am Arm packte und auf den Stuhl zurückdrückte. Einen Moment lang machte er den Eindruck, als wollte er mich angreifen, doch dann schien ihm bewusst zu werden, dass der Tisch im Weg war. Er blieb sitzen, sah mich mit tödlich kalten Augen an und erinnerte sich offensichtlich an das, was seine Anwälte ihm über die gesetzlichen Bestimmungen zur virtuellen Haft erklärt hatten.
»Ich vermute, dass Sie noch nie verhaftet worden sind, Miller«, sagte ich im Plauderton. Als er nicht antwortete, nahm ich ihm gegenüber Platz. Ich drehte den Stuhl um und setzte mich rittlings darauf, nahm meine Zigaretten heraus und zog eine aus der Schachtel. »Diese Feststellung ist streng genommen immer noch zutreffend. Sie sind nicht verhaftet. Sie befinden sich nicht in polizeilichem Gewahrsam.«
Über sein Gesicht zog ein erstes Aufflackern der Furcht.
»Lassen Sie uns ein wenig die Ereignisse rekapitulieren. Wahrscheinlich glauben Sie, dass ich abgehauen bin, nachdem Sie auf mich geschossen haben, und dass anschließend die Polizei kam, um die Bescherung aufzuräumen. Dass sie genügend Beweise gefunden hat, um die Klinik zu verklagen, und dass Sie jetzt auf Ihren Prozess warten. Das ist nur zum Teil korrekt. Ich bin tatsächlich abgehauen, und die Polizei hat die Bescherung aufgeräumt. Bedauerlicherweise gibt es ein Beweisstück, das die Polizei nicht auflesen konnte, weil ich es mitgenommen habe. Nämlich Ihren Kopf.« Ich hob die Hand, um es ihm anschaulich zu demonstrieren. »Am Hals abgetrennt, mit intaktem Stack, sodass ich ihn unter der Jacke versteckt nach draußen tragen konnte.«
Miller schluckte. Ich beugte mich vor und entzündete die Zigarette.
»Jetzt glaubt die Polizei, dass Ihr Kopf durch einen überladenen Blaster mit breit gefächertem Strahl desintegriert wurde.« Ich blies ihm den Rauch über den Tisch ins Gesicht. »Ich hatte absichtlich den Hals und den Brustkorb verkohlt, um diesen Eindruck zu erwecken. Mit etwas Zeit wäre ein guter Gerichtsmediziner irgendwann zu einem anderen Ergebnis gekommen, aber leider haben Ihre noch intakten Kollegen die Polizei hinausgeworfen, bevor sie mit gründlicheren Ermittlungen beginnen konnte. Das ist durchaus verständlich, wenn man bedenkt, was die Beamten höchstwahrscheinlich gefunden hätten. Ich bin mir sicher, dass Sie es genauso gemacht hätten. Doch das bedeutet nun, dass Sie nicht nur nicht verhaftet sind, sondern dass man davon ausgeht, dass Sie ein Realer Todesfall sind. Weder die Polizei noch sonst jemand sucht nach Ihnen.«
»Was wollen Sie von mir?« Millers Stimme war mit einem Mal heiser geworden.
»Sehr gut. Wie ich sehe, haben Sie erkannt, in welcher Lage Sie sich befinden. Was mich bei einem Mann mit Ihrem… professionellen Hintergrund nicht überrascht. Was ich von Ihnen will, sind detaillierte Informationen über den Siebenten Himmel.«
»Was?«
Meine Stimme wurde härter. »Sie haben genau verstanden, was ich gesagt habe.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.«
Ich seufzte. Damit hatte ich rechnen müssen. Ich hatte es schon mehrmals erlebt, immer wenn Reileen Kawahara ein Faktor in der Gleichung war. Die terroristische Loyalität ihrer Mitarbeiter hätte ihre alten Yakuza-Bosse in
Weitere Kostenlose Bücher