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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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Gesicht wieder unter Kontrolle und kehrte zum Sessel zurück. Bancroft schien vollauf mit den Bildern beschäftigt zu sein, die ich ihm eingepflanzt hatte, und kaum bemerkt zu haben, dass ich aufgestanden war.
    Doch nun lief mein Geist auf Hochtouren und raste die Alleen entlang, die sich durch Ortegas Liste und ihr T-Shirt mit dem Resolution-653-Spruch geöffnet hatten. Die stille Resignation, die ich vor zwei Tagen in Ember empfunden hatte, der ungeduldige Drang, Bancroft meine Lügen zu verkaufen, Sarah zu befreien und die Sache abzuschließen, waren verschwunden. Alles, einschließlich Bancroft, deutete auf den Siebenten Himmel. Es hatte beinahe etwas Axiomatisches, dass er in der Nacht seines Todes dort gewesen war. Was immer dort geschehen sein mochte, es war der Schlüssel für die Gründe, warum er wenige Stunden später im Suntouch House gestorben war. Und es war der Schlüssel zur Wahrheit, die Reileen Kawahara so verzweifelt zu vertuschen suchte.
    Was bedeutete, dass ich mich dort umsehen musste.
    Ich nahm mein Glas und trank einen Schluck, ohne den Geschmack des Cocktails wahrzunehmen. Die Geräusche schienen Bancroft aus seiner Trance zu reißen. Er blickte auf und machte den Eindruck, als wäre er überrascht, dass ich immer noch da war.
    »Bitte entschuldigen Sie mich jetzt, Mr. Kovacs. Ich muss das alles erst einmal verarbeiten. Ich hatte mir die unterschiedlichsten Möglichkeiten vorgestellt, aber eine derartige Lösung ist mir nie in den Sinn gekommen, obwohl sie so einfach ist. So offensichtlich, dass ich sie schlicht übersehen habe.« In seiner Stimme schwang eine kräftige Portion Selbstekel mit. »Die Wahrheit lautet, dass ich keinen Envoy als Ermittler gebraucht hätte. Ich hätte nur einen Spiegel gebraucht, um mich selbst darin zu betrachten.«
    Ich stellte das Glas ab und stand auf.
    »Sie wollen gehen?«
    »Ja. Es sei denn, Sie haben noch weitere Fragen. Aber ich glaube, ich sollte Sie jetzt allein lassen. Sie können mich über das Hendrix erreichen.«
    Auf dem Weg nach draußen begegnete ich Miriam Bancroft. Sie trug denselben Overall, den sie auch im Garten angehabt hatte, das Haar mit einem teuer wirkenden statischen Clip zusammengesteckt. In einer Hand hielt sie einen Blumentopf mit Spalier, den sie wie eine Laterne in einer stürmischen Nacht vor sich hertrug. Lange Strähnen aus blühendem Märtyrerkraut hingen vom Spalier.
    »Haben Sie…?«, begann sie.
    Ich trat einen Schritt näher auf sie zu, bis ich mich innerhalb der Reichweite des Märtyrerkrauts befand. »Ich bin fertig«, sagte ich. »Ich bin bis an die Grenze dessen gegangen, was ich verkraften kann. Ihr Mann hat jetzt eine Antwort, aber es ist nicht die Wahrheit. Ich hoffe, Sie sind damit zufrieden, genauso wie Reileen Kawahara.«
    Bei der Erwähnung des Namens teilten sich schockiert ihre Lippen. Es war die einzige Reaktion, die durch ihre beherrschte Maske schlüpfte, aber es genügte mir als Bestätigung. Ich verspürte das Bedürfnis, grausam zu sein; es stieg unaufhaltsam aus der Dunkelheit empor, aus selten besuchten Kavernen des Zorns, die mir als emotionale Reserven dienten.
    »Ich habe mir bisher nie vorstellen können, dass Reileen ein guter Fick ist, aber vielleicht ziehen sich Ähnlichkeiten an. Ich hoffe, dass sie auf der Matratze besser ist als auf dem Tennisplatz.«
    Miriams Gesicht erbleichte, und ich machte mich auf eine Ohrfeige gefasst. Doch stattdessen antwortete sie mir mit einem gezwungenen Lächeln.
    »Sie täuschen sich, Mr. Kovacs«, sagte sie.
    »Ja, das passiert mir des Öfteren.« Ich drückte mich an ihr vorbei. »Entschuldigen Sie mich bitte.« Ich ging durch das Foyer weiter, ohne mich noch einmal zu ihr umzuschauen.

 
33
     
     
    Das Gebäude war eine ausgeschlachtete Hülle, eine umgebaute Lagerhaushalle mit völlig identischen Bogenfenstern an jeder Wand und weiß gestrichenen Stützsäulen im Abstand von zehn Metern. Die Decke war in tristem Grau gehalten, und das ursprüngliche Mauerwerk lag frei, ebenso wie das eingearbeitete Geflecht aus schweren Eisenverstrebungen. Der Boden bestand aus nacktem, perfekt ausgegossenem Beton. Grelles Licht fiel durch die Fenster herein, ohne dass es durch schwebende Staubteilchen gedämpft wurde. Die Luft war kühl.
    Ungefähr in der Mitte der Halle, zumindest nach meiner Einschätzung, standen ein einfacher Tisch aus Stahl und zwei unbequem wirkende Stühle, die wie für eine Schachpartie angeordnet waren. Auf einem Stuhl saß ein großer Mann mit

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