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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Ja, ich erinnere mich. Ich erinnere mich daran, dass wir uns in die Hose gemacht haben, aus Angst vor dem Patchwork-Mann und nicht vor Vater. Ich erinnere mich auch, dasselbe empfunden zu haben, als wir Kadmin virtuell begegneten.«
    »Und nachdem er jetzt tot ist? Was empfinden wir da?«
    »Ich empfinde überhaupt nichts.«
    Wieder zeigte er mit dem Finger auf mich. »Das ist eine Schutzbehauptung.«
    »Ist es nicht. Das Arschloch kam mir in die Quere, er bedrohte mich, und nun ist er tot. Ende der Übertragung.«
    »Erinnerst du dich vielleicht an jemand anderen, der dich bedroht hat? Aus deiner Kindheit?«
    »Ich will nicht mehr darüber reden.« Ich griff nach der Flasche und schenkte mir ein weiteres Glas ein. »Anderes Thema. Ortega. Was empfindest du dazu?«
    »Hast du vor, die ganze Flasche allein auszutrinken?«
    »Willst du auch etwas?«
    »Nein.«
    Ich breitete die Hände aus. »Also, was denkst du über sie?«
    »Willst du dich besaufen?«
    »Natürlich will ich das. Wenn ich mich schon mit mir unterhalten muss, seile ich keinen Grund, warum ich es nüchtern tun sollte. Nun erzähl mir von Ortega.«
    »Das Seltsame ist, dass wir nicht mehr das Gleiche für sie empfinden. Du steckst nicht mehr in Rykers Sleeve.«
    »Das spielt…«
    »Doch, es spielt eine große Rolle. Was zwischen uns und Ortega abläuft, ist rein körperlich. Für etwas anderes war gar nicht genug Zeit. Deshalb bist du jetzt so wild darauf, über sie zu reden. In diesem Sleeve hast du nicht mehr als ein paar nostalgische Erinnerungen an die Jacht und ein paar Schnappschüsse. Zwischen euch gibt es keine Chemie mehr.«
    Ich wollte etwas dazu sagen, aber mir fiel nichts ein. Die plötzliche Andersartigkeit zwischen uns war wie ein dritter Anwesender, der unangemeldet den Raum betreten hatte.
    Die Ryker-Kopie kramte in den Taschen und zog Ortegas Zigaretten hervor. Die Schachtel war ziemlich platt gedrückt. Er nahm sich eine Zigarette, schaute sie schuldbewusst an und steckte sie sich in den Mund. Ich bemühte mich, keine Missbilligung zu zeigen.
    »Die Letzte«, sagte er, als er die Zündfläche berührte.
    »Das Hotel hat wahrscheinlich noch welche.«
    »Ja.« Er blies den Rauch aus, und ich hätte ihn beinahe um diese Sucht beneidet. »Weißt du, da wäre noch etwas, worüber wir dringend diskutieren müssten.«
    »Und was?«
    Aber ich wusste es bereits. Wir beide wussten es.
    »Ich soll es aussprechen? Also gut.« Er nahm einen weiteren Zug von der Zigarette und zuckte die Achseln. Aber es wirkte keineswegs locker. »Wir müssen entscheiden, wer von uns beiden ausgelöscht wird, wenn diese Sache vorbei ist. Und da unser jeweiliger Überlebensinstinkt von Minute zu Minute stärker wird, sollten wir es bald entscheiden.«
    »Wie?«
    »Ich weiß es nicht. Woran würdest du dich lieber erinnern? Wie du Kawahara fertig gemacht hast? Oder wie du vor Miriam Bancroft auf die Knie gefallen bist?« Er lächelte mit säuerlicher Miene. »Eine müßige Frage, schätze ich.«
    »He, hier geht es nicht nur um eine Nummer am Strand. Hier geht es um Sex mit multiplen Kopien. Das ist so ziemlich das einzige illegale Vergnügen, das uns noch bleibt. Aber Irene Elliott sagte, wir könnten einen Gedächtnis-Graft machen und beide Erfahrungen behalten.«
    »Wahrscheinlich. Sie sagte, dass sie es wahrscheinlich tun könnte. Damit bleibt immer noch die Frage, wer von uns beiden von der Bildfläche verschwindet. Es ist keine Verschmelzung, sondern ein Graft, der vom einen auf den anderen übertragen wird. Eine eingefügte Erinnerung. Willst du dir das antun? Dem Überlebenden? Wir konnten es nicht einmal ertragen, das Konstrukt zu übernehmen, das das Hendrix geschaffen hat. Wie sollen wir dann damit leben? Nein, es kann nur ein klarer Schnitt sein. Der eine oder der andere. Und wir müssen entscheiden, wer es sein wird.«
    »Ja.« Ich nahm die Whiskyflasche und starrte finster auf das Etikett. »Was machen wir also? Wollen wir darum spielen? Schere schneidet Papier? Sagen wir, mit fünf Versuchen?«
    »Ich hatte an eine rationalere Methode gedacht. Wir erzählen uns, was wir vom jetzigen Zeitpunkt an erlebt haben und entscheiden dann, welche Erinnerung wir behalten wollen. Welche uns mehr bedeutet.«
    »Wie, zum Teufel, wollen wir so etwas beurteilen?«
    »Wir werden es wissen. Du weißt, dass wir es einschätzen können.«
    »Was ist, wenn einer von uns lügt? Wenn er die Wahrheit ausschmückt, damit die Erinnerungen interessanter klingen? Oder nicht

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