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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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das Gewinsel ein und legte sich an der Wand gegenüber der Tür auf den Boden. Als ich zurücktrat, blickte er kurz zu mir auf, mit einem Blick, in dem sich purer Schmerz und Vorwurf mischten. In diesen Augen sah ich die Spiegelung aller Opfer, die mich in den vergangenen drei Jahrzehnten meines wachen Lebens angesehen hatten. Dann wandte das Tier den Kopf ab und leckte sich apathisch die verletzten Hinterbeine.
    Für einen Sekundenbruchteil schoss etwas wie ein Geysir durch die kalte Kruste des Betathanatins.
    Ich ging zur Tür zurück, durch die das Tier auf den Gang getreten war, zog unterwegs die Nadelpistole und sprang hindurch, die Waffe ausgestreckt mit beiden Händen haltend. Der Raum war geräumig und in Pastelltönen gestrichen; an den Wänden hingen idyllische zweidimensionale Bilder. Ein wuchtiges Himmelbett mit durchsichtigen Gardinen stand im Zentrum. Auf der Bettkante saß ein vornehm wirkender Mann in den Vierzigern, der von der Taille abwärts nackt war. Darüber schien er den Rest eines eleganten Abendanzugs zu tragen, der überhaupt nicht zu den groben Arbeitshandschuhen passte, die sich über beide Unterarme gezogen hatte. Er hatte sich vornüber gebeugt und säuberte sich mit einem feuchten weißen Tuch zwischen den Beinen.
    Als ich den Raum betrat, blickte er auf.
    »Jack? Bist du schon fert…?« Dann starrte er verständnislos auf die Waffe in meinen Händen, und als sich die Mündung seinem Gesicht bis auf einen halben Meter genähert hatte, stahl sich ein schroffer Tonfall in seine Stimme. »Was soll der Unsinn? So ein Programm habe ich nicht gewählt.«
    »Das geht aufs Haus«, sagte ich leidenschaftslos und beobachtete, wie der Schwarm aus monomolekularen Splittern sein Gesicht zerfetzte. Er riss die Hände vom Schoß hoch, um die Verletzungen zu bedecken, dann kippte er seitwärts aufs Bett und gab tiefe, röchelnde Laute von sich, während er starb.
    Ich sah, wie am Rand meines Sichtfeldes die Missionszeit in roten Ziffern aufleuchtete, und zog mich aus dem Zimmer zurück. Das verwundete Tier im Korridor blickte nicht zu mir auf, als ich näher kam. Ich ging in die Knie und legte sanft eine Hand auf das verfilzte Fell. Nun hob es den Kopf und stieß wieder das Winseln aus. Ich legte die Nadelwaffe weg und streckte die leere Hand aus. Die Neuralsprungfeder entließ das Tebbit-Messer. Die Klinge blitzte auf.
    Danach wischte ich das Messer am Fell sauber, steckte es wieder in die Scheide und hob die Nadelpistole auf, alles mit der gelassenen Ruhe des Schnitters. Dann betrat ich lautlos den Verbindungsgang. Tief in der diamantenen Abgeklärtheit der Droge regte sich etwas, aber der Schnitter ließ nicht zu, dass ich mich deswegen beunruhigte.
    Wie es in Elliotts gestohlenen Plänen verzeichnet war, führte der Quergang zu einer Treppe, deren Teppichbelag die gleichen orgiastischen Muster aufwies wie im Hauptkorridor. Ich stieg vorsichtig die Stufen hinunter, die Waffe nach vorn gerichtet und mein Anwesenheitsgespür wie ein Radarnetz ausgebreitet. Nichts rührte sich. Kawahara schien alle Luken verriegelt zu haben, damit Ortega und ihre Leute nichts Ungebührliches zu Gesicht bekamen, solange sie sich im Etablissement aufhielten.
    Zwei Stockwerke tiefer verließ ich den Treppenschacht und folgte meiner Erinnerung an die Grundrisspläne durch ein Labyrinth aus Korridoren, bis ich mir ziemlich sicher war, dass die Tür zu Kawaharas Quartier hinter der nächsten Ecke lag. Mit dem Rücken zur Wand schob ich mich lautlos bis zur Ecke vor und wartete. Mein Gespür sagte, dass jemand im Quergang vor der Tür stand, vielleicht sogar mehr als nur eine Person. Ich nahm den schwachen Gestank nach Zigarettenrauch wahr. Ich ging in die Knie, sicherte meine Umgebung und legte schließlich den Kopf auf den Boden. Meine Wange streifte den Flor des Teppichs, während ich den Kopf vorschob.
    Im Korridor standen ein Mann und eine Frau neben der Tür. Beide waren in ähnliche grüne Overalls gekleidet. Die Frau rauchte. Obwohl beide auffällige Betäubungspistolen am Gürtel trugen, machten sie eher den Eindruck, zum technischen Personal als zu den Sicherheitstruppen zu gehören. Ich entspannte mich ein wenig und beschloss, noch etwas zu warten. Im Augenwinkel pulsierten die Minuten der Missionszeit wie die Venen eines Hochleistungssportlers.
    Eine weitere Viertelstunde verstrich, bevor ich hörte, wie die Tür ging. Bei maximaler Verstärkung empfing das Neurachem das Rascheln von Kleidung, als die Aufpasser

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