Das Unsterblichkeitsprogramm
auszulöschen, was Sie ihm über Hinchley erzählt haben. Nach dem Resleeving würde sein letztes Update ohne diese kleine Indiskretion weiterleben.«
Kawahara nickte weise. »Ja, ich verstehe, wie sinnvoll das für Sie klingt. Eine defensive Maßnahme. Schließlich haben Sie die ganze Zeit in der Defensive gespielt, seit Sie die Envoys verlassen haben. Und ein Geschöpf, das defensiv lebt, muss früher oder später auch defensiv denken. Sie haben nur etwas vergessen, Takeshi.«
Sie machte eine dramatische Pause, und trotz des Betathanatins spürte ich, wie ein leises Misstrauen an mir zerrte. Kawahara überspannte den Bogen.
»Und was ist das?«
»Die Tatsache, dass ich nicht wie Sie bin, Takeshi Kovacs. Ich spiele nicht in der Defensive.«
»Nicht einmal beim Tennis?«
Sie bedachte mich mit einem sorgsam kalibrierten Lächeln. »Sehr gewitzt. Ich hatte es gar nicht nötig, Laurens Bancrofts Erinnerung an unser Gespräch auszulöschen, weil er längst seine katholische Hure abgeschlachtet und demzufolge genauso viel durch die Resolution 653 zu verlieren hatte wie ich.«
Ich blinzelte. Ich hatte verschiedene Theorien entwickelt, die auf meiner Überzeugung basierten, dass Kawahara für Bancrofts Tod verantwortlich war, aber keine, die so krass war. Doch als ich Kawaharas Worte verarbeitete, verschoben sich einige Splitter des zersprungenen Spiegels, von dem ich angenommen hatte, dass er bereits vollständig genug gewesen war, um darin die Wahrheit zu erkennen. Ich blickte in eine neu zusammengesetzte Ecke und wünschte mir, ich hätte nie das gesehen, was sich darin bewegte.
Kawahara grinste amüsiert über mein Schweigen. Sie wusste, dass sie meine Zuversicht angeknackst hatte, und das befriedigte sie. Wie eitel. Ihr einziger, aber beständiger Makel. Wie alle Meths war sie sehr von sich selbst beeindruckt. Das Geständnis, das Puzzleteil, das mir noch gefehlt hatte, war ihr viel zu leicht entschlüpft. Sie war begierig darauf, es mir zu geben, damit ich erkannte, wie weit sie mir voraus war, wie weit ich ihr hinterher humpelte.
Die Bemerkung über ihre Tenniskünste schien einen schwachen Nerv getroffen zu haben.
»Ein weiteres subtiles Echo des Gesichts seiner Frau«, sagte sie, »sorgsam ausgewählt und mit ein wenig Nachhilfe durch kosmetische Chirurgie. Er hat ihr das Leben aus dem Leib gewürgt. Während er zum zweiten Mal kam. Sieht so ein Eheleben aus, Kovacs? Was stellt es mit den Männern an?«
»Sie haben es aufgezeichnet?« Mir selbst kamen meine Worte unglaublich idiotisch vor.
Kawahara lächelte wieder. »Kommen Sie, Kovacs. Fragen Sie mich etwas, das einer Antwort bedarf.«
»War Bancroft chemisch aufgeheizt?«
»Aber selbstverständlich. In diesem Punkt hatten Sie Recht. Eine ziemlich üble Droge, aber Sie scheinen sich bestens damit…«
Es war das Betathanatin. Die herzlähmende schleppende Kühle der Droge, denn andernfalls hätte ich mich gleichzeitig mit dem Lufthauch bewegt, der erzeugt wurde, als sich neben mir die Tür öffnete. Der Gedanke ging mir durch den Kopf, so schnell wie unter den Umständen möglich, und doch kam gleichzeitig mit dem Gedanken das Bewusstsein, dass ich viel zu langsam reagieren würde. Es war nicht der geeignete Zeitpunkt zum Denken. Im Kampf waren Gedanken ein Luxus, genauso unangemessen wie ein heißes Bad und eine Massage. Der Gedanke trübte die peitschenschnelle Reaktion des Khumalo-Neurachems, und ich wirbelte herum, ein paar Jahrhunderte zu spät, die Nadelpistole erhoben.
Wusch!
Der Betäubungsstrahl rammte mich wie ein Zug, und ich glaubte zu sehen, wie die hell erleuchteten Waggonfenster hinter meinen Augen vorbeiratschten. Mein Sichtfeld bestand aus einem erstarrten Standbild von Trepp, wie sie im Durchgang kniete, die Betäubungspistole ausgestreckt, mit wachsamer Miene, falls sie mich verfehlt hatte oder ich Neuralschutzkleidung unter dem Tarnanzug trug. Schön wär’s. Meine Waffe entfiel meinen nervenlosen Fingern, als meine Hand sich krampfartig öffnete und ich umkippte. Die Holzdielen kamen mir entgegen und krachten seitlich gegen meinen Kopf, wie die Faust meines Vaters.
»Warum haben Sie so lange gebraucht?«, fragte Kawaharas Stimme aus großer Höhe, durch mein schwindendes Bewusstsein zu einem Bassgrollen verzerrt. Eine schlanke Hand griff in mein Sichtfeld und nahm die Nadelpistole an sich. Taub spürte ich, wie ihre andere Hand meine Betäubungspistole aus dem Holster zerrte.
»Der Alarm wurde erst vor ein paar Minuten
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