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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm Kostenlos Bücher Online Lesen
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ausgelöst.« Trepp trat in den Raum, steckte ihre Waffe ein, und ging in die Hocke, um mich neugierig zu betrachten. »Es hat eine Weile gedauert, bis McCabe genügend ausgekühlt war, um das System zu aktivieren. Die meisten Ihrer vertrottelten Sicherheitsleute hängen immer noch auf dem Hauptdeck herum und glotzen die Leiche an. Wer ist das?«
    »Kovacs«, sagte Kawahara abfällig. Sie steckte sich meine Waffen hinter den Gürtel und kehrte zum Schreibtisch zurück. Für mein paralysiertes Sehvermögen wirkte es, als würde sie sich über eine riesige Ebene entfernen und mit jedem Schritt mehrere hundert Meter zurücklegen, bis sie in der Ferne winzig klein geworden war. Sie beugte sich über den Schreibtisch und bediente Schaltungen, die ich nicht erkennen konnte.
    Ich war noch nicht weggetreten.
    »Kovacs?« Trepps Miene wurde unvermittelt ausdruckslos. »Ich dachte…«
    »Ja, ich ebenfalls.« Das holografische Datenmuster in der Luft erwachte und entwirrte sich. Kawahara ging näher mit dem Gesicht heran, das in wirbelnde Farben getaucht wurde. »Er hat sich doppelt sleeven lassen. Mutmaßlich mit Ortegas Hilfe. Sie hätten noch etwas länger auf der Panama Rose bleiben sollen.«
    Mein Gehör war beeinträchtigt und mein Blick in eine Richtung erstarrt, aber ich hatte das Bewusstsein noch nicht verloren. Ich war mir nicht sicher, ob es eine Nebenwirkung des Betathanatins oder eine Extraausstattung des Khumalo-Neurachems war – oder vielleicht ein unbeabsichtigtes Zusammenwirken von beidem. Auf jeden Fall hielt mich irgendetwas bei Bewusstsein.
    »Es macht mich nervös, mich in Gegenwart so vieler Polizisten am Schauplatz eines Verbrechens aufzuhalten«, sagte Trepp und berührte mein Gesicht.
    »Aha?« Kawahara war immer noch mit den Datenströmen beschäftigt. »Nun, diesen Psychopathen mit Moraldiskussionen und Geständnissen abzulenken hat auch meiner Verdauung nicht gut getan. Ich dachte schon, Sie würden nie mehr… Scheiße!«
    Sie riss ruckhaft: den Kopf zur Seite, dann senkte sie den Blick und starrte auf die Oberfläche des Schreibtischs.
    »Er hat die Wahrheit gesagt.«
    »Worüber?«
    Kawahara sah zu Trepp hinüber und riss sich zusammen. »Egal. Was machen Sie mit seinem Gesicht?«
    »Er ist kalt.«
    »Scheiße, natürlich ist er kalt.« Die zunehmend ordinäre Ausdrucksweise war ein deutliches Zeichen, dass Reileen Kawahara einen beträchtlichen Schock erlitten hatte, dachte ich benommen. »Was glauben Sie, wie er an den Infrarotsensoren vorbeigekommen ist? Er ist bis obenhin zugestifft.«
    Trepp erhob sich, mit sorgsam gewahrter Ausdruckslosigkeit. »Was werden Sie jetzt mit ihm machen?«
    »Wir schicken ihn in die Virtualität«, sagte Kawahara mürrisch. »Zusammen mit seinem harlanitischen Fischweib. Doch bevor wir das tun, müssen wir eine kleine Operation durchführen. Er ist verdrahtet.«
    Ich versuchte die rechte Hand zu bewegen. Das letzte Gelenk des Mittelfingers zuckte kaum merklich.
    »Hat er noch nichts gesendet?«
    »Zumindest hat er es behauptet. Aber wir hätten die Übertragung sowieso abgefangen. Haben Sie ein Messer?«
    Ein tiefes Zittern, das sich verdächtig nach Panik anfühlte, durchlief mich. Verzweifelt suchte ich in der Paralyse nach Anzeichen einer bevorstehenden Erholung. Das Khumalo-Nervensystem war immer noch gelähmt. Ich spürte, wie meine Augen allmählich austrockneten, weil der Lidschlagreflex so lange ausgeblieben war. Durch die getrübte Pupille beobachtete ich, wie Kawahara vom Schreibtisch zurückkehrte und Trepp eine Hand entgegenstreckte.
    »Ich habe kein Messer.« Im an- und abschwellenden Rauschen, das durch meine Ohren strömte, war ich mir nicht sicher, aber in Trepps Stimme schien ein aufsässiger Tonfall mitzuschwingen.
    »Kein Problem.« Wieder entfernte sich Kawahara mit ausladenden Schritten aus meinem Blickfeld, und gleichzeitig wurde ihre Stimme leiser. »Ich habe hier etwas, das genauso gut geeignet sein müsste. Sie sollten jetzt ein paar Muskelmänner zusammentrommeln, um diesen Haufen Scheiße zu einem Dekantierungssalon zu schleifen. Ich glaube, sieben und neun sind einsatzbereit. Benutzen Sie den Anschluss auf dem Schreibtisch.«
    Trepp zögerte. Ich spürte, wie etwas herunterfiel, wie ein Stückchen Eis, das sich vom gefrorenen Block meines Zentralnervensystems löste. Meine Augenlider schabten langsam über meine Augäpfel, einmal hinunter und wieder hinauf. Die Reinigungsprozedur ließ meine Augen tränen. Trepp sah es und erstarrte.

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