Das Urteil
Wachmann begleitete Nicholas und die Frau die Treppe in den ersten Stock hinauf, wo so ziemlich alles zerstört war. Sie blieben an einem gelben Warnband am Rande des Kraters stehen. Das Feuer hatte sich nach oben ausgebreitet, durch die Gipsdecke und die billigen Balken, und hatte zwei große Löcher ins Dach gebrannt, genau über der Stelle, an der sich vorher sein Schlafzimmer befunden hatte, soweit sich das noch feststellen ließ. Und es hatte sich nach unten durchgefressen und die Wohnung unter seiner schwer beschädigt. Von Nummer 312 war nichts übriggeblieben außer der Küchenwand, an der der Ausguß nur noch an einem Haken hing und aussah, als würde er gleich herunterfallen. Nichts. Keine Spur von den billigen Möbeln im Wohnzimmer, keine Spur vom Wohnzimmer selbst. Nichts vom Schlafzimmer außer angekohlten Wänden.
Und, zu seinem Entsetzen, kein Computer.
Praktisch sämtliche Fußböden, Decken und Wände der Wohnung waren verschwunden, nichts war geblieben außer einem klaffenden Loch.
»Ist jemand verletzt worden?« fragte Nicholas leise. »Nein. Waren Sie zu Hause?«
»Nein. Wer sind Sie?«
»Ich arbeite für die Hausverwaltung. Da sind ein paar Formulare, die Sie ausfüllen müßten.«
Sie kehrten ins Foyer zurück, wo Nicholas schnell den Papierkram erledigte und dann mit Willis davonfuhr.
22
R ichter Harkin wurde von Phillip Savelle in einem knapp formulierten, kaum leserlichen Schreiben darauf hingewiesen, daß sich das Wort ›ehelich‹ der Definition im Webster zufolge nur auf Mann und Frau bezog und er dagegen Einspruch erhob. Er hatte keine Frau und hielt nichts von der Institution der Ehe. Er schlug ›Gemeinschaftliche Zwischenspiele ‹ vor, dann beschwerte er sich über den Gottesdienst, der am Morgen abgehalten worden war. Er faxte den Brief an Harkin, der ihn zu Hause während des vierten Viertels eines Spiels der Saints erhielt. Lou Dell hatte das Fax von der Rezeption aus abgeschickt. Zwanzig Minuten später traf ein Fax von Seinen Ehren ein, in dem er das Wort ›ehelich‹ in ›persönlich‹ änderte und die ganze Sache zu ›Persönlichen Besuchen‹ erklärte. Er gab Anweisung, Kopien für sämtliche Geschworenen anzufertigen. Da Sonntag war, gab er noch eine Stunde zu, von sechs bis zehn, anstatt nur bis neun Uhr. Dann rief er sie an, um zu fragen, was Mr. Savelle sonst noch wollte, und erkundigte sich nach der allgemeinen Stimmung bei seinen Geschworenen.
Lou Dell brachte es einfach nicht fertig, ihm zu erzählen, daß sie Mr. Savelle nackt auf seinem Bett sitzend gesehen hatte. Sie konnte sich gut vorstellen, daß der Richter andere Sorgen hatte. Alles war bestens, versicherte sie ihm.
Hoppy traf als erster Besucher ein, und Lou Dell eskortierte ihn schnell in Millies Zimmer, wo er ihr wieder Pralinen und einen kleinen Blumenstrauß überreichte. Sie küßten sich flüchtig auf die Wange, dachten überhaupt nicht an irgend etwas Eheliches, sondern saßen einfach nebeneinander auf dem Bett. Hoppy brachte das Gespräch behutsam auf den Prozeß und versuchte, eine Weile beim Thema zu bleiben. »Das macht einfach keinen Sinn, weißt du, daß Leute wegen so etwas klagen. Ich meine, es ist einfach albern. Jeder weiß, daß Zigaretten süchtig machen und gefährlich sind, also weshalb rauchen die Leute dann? Erinnerst du dich an Boyd Dogan? Der hat fünfundzwanzig Jahre lang Salem geraucht und dann einfach so aufgehört«, sagte er und schnippte mit den Fingern.
»Ja, das hat er, fünf Minuten, nachdem der Doktor diesen Tumor auf seiner Zunge entdeckt hatte«, erinnerte ihn Millie, sein Fingerschnippen spöttisch imitierend.
»Ja, aber eine Menge Leute hören auf zu rauchen. Es ist eine Art Sieg des Willens über die Materie. Es ist einfach nicht richtig, daß jemand weiterraucht und dann auf Millionen klagt, wenn die verdammten Dinger ihn umbringen.«
»Hoppy, deine Ausdrucksweise.«
»Entschuldigung.« Hoppy erkundigte sich nach den anderen Geschworenen und ihrer Einstellung zu dem Fall. Mr. Cristano hatte gemeint, es wäre am besten, wenn er versuchte, Millie mit Argumenten zu überzeugen, anstatt ihr mit der Wahrhe it Angst einzujagen. Sie hatten beim Lunch darüber gesprochen. Hoppy kam sich beim Intrigieren gegen seine eigene Frau wie ein Verräter vor, aber jedesmal, wenn ihn Schuldgefühle überfielen, überfiel ihn auch der Gedanke an fünf Jahre Gefängnis.
Nicholas verließ sein Zimmer ungefähr in der Mitte des Sonntagabendspiels. Auf dem Korridor waren
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