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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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weder Geschworene noch Bewacher zu sehen. Aus dem Partyzimmer drangen Stimmen; wie es sich anhörte, ausschließlich Männerstimmen. Wieder tranken die Männer Bier und sahen Football, während die Frauen aus ihren persönlichen Besuchen und gemeinschaftlichen Zwischenspielen das Beste machten.
    Er glitt leise durch die gläserne Doppeltür am Ende des Korridors, huschte um die Ecke, an den Cola-Automaten vorbei und eilte dann die Treppe in den ersten Stock hinauf. Marlee wartete in einem Zimmer, das sie bar bezahlt und unter dem Namen Elsa Broome, einem ihrer vielen Decknamen, gemietet hatte.
    Sie gingen sofort miteinander ins Bett, mit einem Minimum an Worten und Präliminarien. Beide waren sich einig, daß acht Nächte ohne einander nicht nur ein Rekord für sie waren, sondern auch ungesund.
    Marlee hatte Nicholas kennengelernt, als beide noch andere Namen trugen. Die Stätte der Begegnung war eine Bar in Lawrence, Kansas, gewesen, wo sie als Kellnerin arbeitete und er lange Abende mit Kommilitonen von der juristischen Fakultät verbrachte. Als sie sich in Lawrence niederließ, hatte sie zwei akademische Grade, und da sie keine Lust hatte, irgendeine Karriere zu starten, dachte sie an ein Jurastudium, diesen großen amerikanischen Babysitter für ziellose College-Absolventen. Sie hatte es nicht eilig. Ein paar Jahre, bevor sie Nicholas kennenlernte, war ihre Mutter gestorben, und Marlee hatte fast zweihunderttausend Dollar geerbt. Sie servierte Drinks, weil das Lokal cool war und sie sich sonst gelangweilt hätte. Es hielt sie in Form. Sie fuhr einen alten Jaguar, hielt ihr Geld zusammen und ging nur mit Jurastudenten aus.
    Sie bemerkten einander lange, bevor sie miteinander sprachen. Er kam gewöhnlich spät mit einer kleinen Gruppe, die üblichen Gesichter. Sie saßen in einer Nische in der Ecke und diskutierten über abstrakte und unglaublich langweilige juristische Theorien. Sie servierte ihnen Bier vom Faß in Krügen und versuchte zu flirten, mit unterschiedlichem Erfolg. In seinem ersten Jahr ging er in seinem Jurastudium auf und kümmerte sich kaum um Mädchen. Sie hörte sich um und erfuhr, daß er ein guter Student war, im obersten Drittel seines Jahrgangs, aber nicht überragend. Er überlebte das erste Jahr und kehrte fürs zweite zurück. Sie ließ sich das Haar schneiden und nahm zehn Pfund ab, obwohl es nicht nötig gewesen wäre.
    Nach dem College hatte er sich bei dreißig juristischen Fakultäten beworben. Elf hatten ja gesagt, aber keine von ihnen gehörte zu den Top ten. Er warf eine Münze und fuhr nach Lawrence, einem Ort, an dem er noch nie gewesen war. Er fand eine Zwei-Zimmer-Wohnung an der Rückseite des verfallenden Hauses einer alten Jungfer. Er lernte fleißig und hatte nur wenig Zeit für ein geselliges Leben, jedenfalls während der ersten beiden Semester.
    Im Sommer nach seinem ersten Jahr arbeitete er für eine große Kanzlei in Kansas City, wo er mit einem Karren die Betriebspost von Büro zu Büro schob. In der Kanzlei steckten dreihundert Anwälte unter einem Dach, und manchmal schien es, als arbeiteten alle an einem einzigen Fall - der Verteidigung von Smith Greer in einem Tabak/Lungenkrebs-Prozeß unten in Joplin. Der Prozeß dauerte fünf Wochen und endete mit einem Urteil zugunsten der Verteidigung. Danach veranstaltete die Kanzlei eine Party, und tausend Leute kamen. Gerüchten zufolge kostete die Siegesfeier Smith Greer achtzigtausend Dollar. Wem machte das etwas aus? Dieser Sommer war eine elende Erfahrung.
    Er haßte die großen Kanzleien, und um die Mitte seines zweiten Jahres hatte er auch die Juristerei im allgemeinen satt. Er wollte auf keinen Fall fünf Jahre in einem kleinen Büro sitzen und immer die gleichen Schriftsätze verfassen und überarbeiten, nur damit reiche Firmen geprellt werden konnten.
    Bei ihrer ersten Verabredung waren sie zu einer Juristen-Party nach einem Footballspiel gegangen. Die Musik war laut, das Bier floß reichlich, Pot wurde herumgereicht wie Bonbons. Sie gingen zeitig, weil er Lärm nicht ausstehen konnte und sie den Marihuana-Geruch nicht mochte. Sie liehen sich Videos aus und kochten Spaghetti in ihrer Wohnung, einer recht geräumigen und gut möblierten Bleibe. Er übernachtete auf dem Sofa.
    Einen Monat später zog er bei ihr ein und sprach davon, das Jurastudium aufzugeben. Sie dachte daran, sich zu bewerben. Als die Romanze aufblühte, sank sein Interesse an akademischen Dingen so weit, daß er kaum noch seine Herbstexamen

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