Das Urteil
fast vier Wochen eingesperrt bleiben mußten, ein Gedanke, der allen zu schaffen machte. Irgendwann würden sie rebellieren, und da die Anklage den größten Teil der Prozeßzeit in Anspruch nahm, hatte sie auch am meisten zu verlieren.
Andererseits kam aber die Verteidigung zuletzt an die Reihe und die Geschworenen würden dann schon reichlich erschöpft sein, also würde die Jury ihren Zorn vielleicht auf Cable und Pynex richten. Diese Diskussion dauerte eine volle Stunde.
Wood gegen Pynex war insofern einzigartig, als es der erste Tabakprozeß mit einer isolierten Jury war. Es war sogar die erste isolierte Jury in einem Zivilprozeß in der Geschichte des Staates. Rohr war der Ansicht, daß die Geschworenen genug gehört hatten. Er wollte nur noch zwei weitere Zeugen aufrufen, seine Vernehmungen am Dienstag mittag für beendet erklären und dann auf Cable warten. Er wurde von Scotty Mangrum aus Dallas und André Durand aus New Orleans unterstützt. Jonathan Kotlack aus San Diego wollte drei weitere Zeugen.
Die entgegengesetzte Ansicht wurde nachdrücklich von John Riley Milton aus Denver und Rayner Lovelady aus Savannah vertreten. Weshalb die Eile, argumentierten sie, nachdem sie so verdammt viel Geld in die größte Kollektion von Experten auf der Welt gesteckt hatten? Es standen noch ein paar überaus wichtige Aussagen von überragenden Zeugen bevor. Die Jury mußte bleiben, wo sie war. Natürlich würde sie der Sache überdrüssig werden, aber passierte das nicht mit jeder Jury? Es war weitaus sicherer, sich an den ursprünglichen Plan zu halten und den Fall gründlich zu verhandeln, als auf hoher See von Bord zu springen, nur weil ein paar Geschworene sich langweilten.
Carney Morrison aus Boston ließ sich mehrfach über die Wochenberichte der Jury-Berater aus. Diese Jury war nicht überzeugt! Nach den in Mississippi geltenden Gesetzen mußte ein Urteil von neun der zwölf Geschworenen gefällt werden. Morrison war sicher, daß sie keine neun hatten. Vor allem Rohr hielt nicht viel von den ständigen Analysen darüber, wie Jerry Fernandez sich die Augen rieb, Loreen Duke auf der Polsterbank herumrutschte und der arme alte Herman den Kopf drehte, wenn Dr. Soundso aussagte. Rohr hatte die Nase voll von den Jury-Experten und vor allem von den gewaltigen Honoraren, die sie bekamen. Sie bei der Ausforschung potentieller Geschworener zur Verfügung zu haben, war eine Sache. Eine völlig andere war es, daß sie während des ganzen Prozesses überall herumlungerten, immer begierig, den Anwälten täglich einen Bericht darüber zu liefern, wie der Prozeß lief. Rohr konnte eine Jury wesentlich besser beurteilen als jeder Berater.
Arnold Levine aus Miami sagte wenig, weil die Gruppe seine Einstellung kannte. Er hatte einmal einen Prozeß gegen General Motors geleitet, der elf Monate gedauert hatte, sechs Wochen waren für ihn bestenfalls eine Aufwärmphase.
Bei Stimmengleichheit wurde keine Münze geworfen. Sie hatten sich bereits lange vor der Geschworenen-Auswahl geeinigt, daß dies Wendall Rohrs Prozeß war. Die Klage war in seiner Heimatstadt eingereicht worden, und der Prozeß wurde in seinem Gerichtssaal vor seinem Richter und seinen Geschworenen geführt. Die Gruppe der Anklagevertreter war bis zu einem gewissen Punkt eine demokratische Versammlung, aber Rohr hatte ein Vetorecht, gegen das es keinen Einspruch gab.
Er traf seine Entscheidung am späten Sonntag abend, und die gewichtigen Egos verließen ihn zwar angeschlagen, aber nicht dauerhaft beschädigt. Um zu hadern und zu kritisieren stand zu viel auf dem Spiel.
23
D er erste Tagesordnungspunkt am Montag morgen war ein Gespräch zwischen Richter Harkin und Nicholas über den Brand und ob es ihm auch gutginge. Sie trafen sich allein im Amtszimmer des Richters, und Nicholas versicherte ihm, er fühle sich durchaus wohl und habe genügend Sachen im Motel, die gewaschen werden konnten. Er war nur ein Student, der nicht viel zu verlieren gehabt hatte, ausgenommen einen guten Computer und ein paar teure Überwachungseinrichtungen, die natürlich, wie alles andere, nicht versichert gewesen waren.
Der Brand wurde rasch abgetan, und da sie unter sich waren, fragte Harkin: »Und wie geht es dem Rest unserer Freunde?« Ein derartiges Gespräch unter vier Augen mit einem Geschworenen verstieß nicht gegen die Vorschriften, lag aber eindeutig in der Grauzone prozessualer Verfahrensweisen. Das bessere Vorgehen wäre gewesen, die Anwälte dabeizuhaben und jedes
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