Das Urteil
nach der Pensionierung. Ein paar Stolpersteine hatte es schon gegeben auf ihrem Weg, aber nichts Ernstes. Nicht, bis er krank wurde. Er hatte das Rauchen aufgeben wollen, hatte es mehrmals versucht, aber ohne viel Erfolg. Die Sucht war einfach zu mächtig gewesen.
Celeste wirkte sympathisch, ohne sich dazu besonders anstrengen zu müssen. Ihre Stimme geriet nie ins Schwanken. Rohr hatte, zu Recht, angenommen, daß falsche Tränen bei den Geschworenen nicht gut ankommen würden. Sie neigte ohnehin nicht zum Weinen.
Cable verzichtete auf ein Kreuzverhör. Was hätte er sie fragen können? Er erhob sich und sagte mit betrübter Miene und bescheidenem Auftreten: »Euer Ehren, wir haben keine Fragen an diese Zeugin.«
Fitch hatte einen ganzen Haufen von Fragen an die Zeugin, aber er hatte keine Möglichkeit, zu veranlassen, daß sie vor Gericht gestellt wurden. Nach angemessener Trauerzeit, mehr als ein Jahr nach der Beerdigung, hatte Celeste angefangen, sich mit einem geschiedenen, sechs Jahre jüngeren Mann zu treffen. Verläßlichen Quellen zufolge planten sie eine stille Hochzeit, sobald der Prozeß vorüber war. Fitch wußte, daß Rohr selbst sie davon abgehalten hatte, vor dem Prozeß zu heiraten.
Im Gerichtssaal würden die Geschworenen das nicht erfahren, aber Fitch arbeitete an einem Plan, es durch die Hintertür einzuschmuggeln.
»Unsere Beweisführung ist abgeschlossen«, verkündete Rohr, nachdem er Celeste an den Tisch zurückgeleitet hatte. Die Anwälte beider Seiten packten sich bei den Armen und bildeten erregt flüsternde Grüppchen.
Richter Harkin betrachtete ein paar der Papierstapel auf seinem Tisch, dann sah er seine erschöpften Geschworenen an. »Meine Damen und Herren, ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht liegt auf der Hand. Die Anklage hat ihre Beweisführung abgeschlossen, und wir haben mehr als die Hälfte hinter uns. Es ist damit zu rechnen, daß die Verteidigung weniger Zeugen aufrufen wird als die Anklage. Die schlechte Nachricht ist, daß wir an diesem Punkt des Prozesses über eine ganze Reihe von Anträgen verhandeln müssen. Das werden wir morgen tun, und es wird vermutlich den ganzen Tag kosten. Es tut mir leid, aber uns bleibt nichts anderes übrig.«
Nicholas hob die Hand. Harkin musterte ihn ein paar Sekunden, dann brachte er ein »Ja, Mr. Easter?« heraus.
»Bedeutet das, daß wir morgen den ganzen Tag im Motel herumsitzen müssen?«
»Ja. Leider.«
»Ich verstehe nicht, weshalb das nötig ist.«
Die Anwälte unterbrachen ihre kleinen Konferenzen und starrten Easter an. Es kam höchst selten vor, daß sich ein Geschworener während einer Verhandlung zu Wort meldete.
»Weil wir eine Menge Dinge in Abwesenheit der Geschworenen zu erledigen haben.«
»Oh, das verstehe ich natürlich. Aber weshalb müssen wir herumsitzen?«
»Was möchten Sie denn tun?«
»Dazu fällt mir eine Menge ein. Wir könnten zum Beispiel ein großes Bootchartern und auf den Golf hinausfahren, vielleicht angeln.«
»Ich kann von den Steuerzahlern dieses County nicht verlangen, daß sie so etwas bezahlen, Mr. Easter.«
»Ich dachte, wir wären Steuerzahler.«
»Die Antwort lautet nein. Tut mir leid.«
»Vergessen Sie die Steuerzahler. Ich bin sicher, den Anwälten hier würde es nichts ausmachen, den Teller herumgehen zu lassen. Bitten Sie jede Seite, tausend Dollar lockerzumachen. Wir könnten ein großes Boot chartern und eine wundervolle Zeit haben.«
Obwohl Cable und Rohr beide in derselben Sekunde reagierten, schaffte es Rohr, als erster aufzuspringen und zu sagen: »Wir würden mit Freuden die Hälfte übernehmen, Euer Ehren.«
»Das ist eine großartige Idee, Richter!« setzte Cable rasch und laut hinzu.
Harkin hob beide Hände. »Einen Moment«, sagte er. Dann rieb er sich die Schläfen und zermarterte sein Gehirn nach einem Präzedenzfall. Natürlich gab es keinen. Kein Gesetz und keine Vorschrift, die es verboten. Keine Interessenskonflikte.
Loreen Duke tippte Nicholas auf den Arm und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Seine Ehren sagte: »Also, von etwas dergleichen habe ich noch nie gehört. Es scheint mir eine reine Ermessenssache zu sein. Mr. Rohr?«
»Es ist harmlos, Euer Ehren. Jede Seite bezahlt die Hälfte. Kein Problem.«
»Mr. Cable?«
»Mir fällt kein Gesetz und keine Verfahrensregel ein, die dagegen sprechen. Ich stimme mit Mr. Rohr überein. Wenn sich beide Seiten in die Kosten teilen, ist alles in bester Ordnung.«
Nicholas hob abermals
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