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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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offenbar von großen Herstellern finanziert, von denen aber keiner Zigaretten zu produzieren schien.
    Ihre Forschungsergebnisse waren in einem hübsch gebundenen, fünf Zentimeter dicken Bericht enthalten, den Cable als Beweismaterial einbrachte. Er gesellte sich als offizieller Bestandteil zu einem ganzen Stapel Materialien - als Beweisstück Nummer vierundachtzig, um genau zu sein. Insgesamt waren bereits an die zwanzigtausend Seiten Beweismaterial vorgelegt worden, von denen man erwartete, daß die Geschworenen sie während ihrer Beratung lasen.
    Nach der ausführlichen und wirkungsvollen Vorstellung der Zeugin waren ihre Untersuchungsergebnisse kurz und bündig und boten keinerlei Überraschungen. Von gewissen klar definierten und offensichtlichen Ausnahmen abgesehen, zielt jede Werbung für Verbraucherprodukte auf junge Erwachsene ab. Autos, Zahnpasta, Seife, Cornflakes, Bier, Limonade, Kleidung, Kölnischwasser - sämtliche Produkte, für die intensiv geworben wird, richten sich an junge Erwachsene. Das gleiche trifft auf Zigaretten zu. Gewiß, sie werden als Wahlprodukte der Schlanken und Schönen, der Aktiven und Sorglosen, der Reichen und Eleganten dargestellt. Aber das werden zahllose andere Produkte auch.
    Dann arbeitete sie sich durch eine Liste von Beispielen hindurch, mit Autos beginnend. Wann haben Sie das letzte Mal im Fernsehen einen Werbespot für einen Sportwagen gesehen, in dem ein dicker, fünfzigjähriger Mann am Steuer sitzt? Oder einen Kleinbus, der von einer fetten Hausfrau mit sechs Kindern und einem schmutzigen Hund gefahren wird, der den Kopf aus dem Fenster hängt? Gibt es nicht. Bier? Da sitzen zehn Burschen in einem Zimmer zusammen und sehen sich ein Footballspiel an. Die meisten von ihnen haben Haare, ein kraftvolles Kinn, gutsitzende Jeans und einen flachen Bauch. Das ist nicht die Realität, aber es ist erfolgreiche Werbung.
    Während sie ihre Liste immer weiter so durchging, wurde ihre Aussage sogar humoristisch. Zahnpasta? Hat Sie im Fernsehen je eine häßliche Frau mit schlechten Zähnen angegrinst? Natürlich nicht. Sie haben alle perfekte Zähne. Sogar in den Spots, die für Mittel gegen Akne werben, haben die geplagten Teenager höchstens ein oder zwei Pickel.
    Sie lächelte und kicherte sogar gelegentlich über ihre eigenen Bemerkungen. Die Geschworenen lächelten mit ihr. Ihr entscheidender Punkt tat mehrfach seine Wirkung. Wenn erfolgreiche Werbung davon abhängt, daß sie auf junge Erwachsene abzielt, weshalb sollte das dann nicht auch den Tabakkonzernen erlaubt sein?
    Sie hörte auf zu lächeln, als Cable sie auf das Thema der auf Jugendliche abzielenden Werbung brachte. Sie und ihr Forscherteam hatten dafür keinerlei Beweise gefunden, und sie hatten Tausende von Tabakanzeigen aus den letzten vierzig Jahren studiert. Sie hatten sich jede Zigarettenwerbung seit dem Aufkommen des Fernsehens angesehen, studiert und katalogisiert. Und sie bemerkte, fast nebenbei, daß seit dem Verbot der Zigarettenwerbung im Fernsehen sogar mehr geraucht wurde. Sie hatte fast zwei Jahre mit der Suche nach Beweisen dafür verbracht, daß die Tabakkonzerne auf Jugendliche abzielen, weil sie das Projekt ohne vorgefaßte Meinung in Angriff genommen hatte. Aber es war einfach nicht wahr.
    Ihrer Ansicht nach bestand die einzige Möglichkeit, eine Beeinflussung der Jugend durch Zigarettenwerbung zu vermeiden, darin, sie vollständig zu verbieten - Reklametafeln, Busse, Zeitungen, Zeitschriften, Kassenzettel. Und ihrer Ansicht nach würde das nichts zum Rückgang des Zigarettenkonsums beitragen. Es würde keinerlei Auswirkung auf das Rauchen Minderjähriger haben.
    Cable dankte ihr, als hätte sie sich ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Sie hatte für ihre Aussage bereits sechzigtausend Dollar erhalten und würde ihm eine Rechnung über weitere fünfzehntausend schicken. Rohr, der alles andere als ein Gentleman war, wußte, wie riskant es im tiefen Süden war, eine hübsche Dame zu attackieren. Statt dessen sondierte er vorsichtig. Er hatte Unmengen von Fragen über das Consumer Product Institute und die achthunderttausend Dollar, die es für diese Untersuchung gezahlt hatte. Sie sagte ihm alles, was sie wußte. Es war eine akademische Einrichtung, deren Aufgabe darin bestand, Trends zu studieren und Verhaltensweisen zu empfehlen. Es wurde von der Privatindustrie finanziert.
    »Irgendwelche Tabakkonzerne?«
    »Nicht, soweit mir bekannt ist.«
    »Irgendwelche Tochterunternehmen von

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