Das Urteil
sie sich an einem Fenstertisch niedergelassen hatte, mit einem Espresso, einem Bagel und einer Zeitung mit Stellenangeboten. Er näherte sich ihr mit dem Rücken zu den anderen Tischen und fragte: »Entschuldigen Sie. Sind Sie Beverly Monk?«
Sie sah erschrocken auf und sagte: »Ja. Und wer sind Sie?«
»Ein Freund von Claire Clement«, sagte er und ließ sich rasch auf dem ihr gegenüberstehenden Stuhl nieder.
»Setzen Sie sich«, sagte sie. »Was wollen Sie?« Sie war nervös, aber das Café war gut besucht. Sie war sicher, dachte sie. Außerdem sah er ans tändig aus.
»Informationen.«
»Sie haben mich gestern angerufen, stimmt's?«
›Ja. Aber ich habe gelogen. Ich habe gesagt, ich wäre Jeff Kerr. Ich bin es nicht.«
»Wer sind Sie dann?«
»Jack Swanson. Ich arbeite für ein paar Anwälte in Washington.«
»Steckt Claire in Schwierigkeiten?«
»Nicht im mindesten.«
»Wozu dann das alles?«
Swanson lieferte ihr eine Kurzversion von Claires Vorladung als Geschworene in einem wichtigen Prozeß und seiner Pflicht, den Hintergrund von einigen der potentiellen Geschworenen zu erforschen. Diesmal war es ein Verfahren wegen einer verseuchten Mülldeponie in Houston, bei dem Milliarden auf dem Spiel standen, deshalb der ganze Aufwand.
Swanson und Fitch spekulierten auf zweierlei. Das erste war die Tatsache, daß Beverly sich bei dem gestrigen Telefongespräch kaum an Jeff Kerr hatte erinnern können. Das zweite war ihre Behauptung, daß sie seit vier Jahren nicht mehr mit Claire gesprochen hatte. Sie verließen sich darauf, daß beides zutraf.
»Wir würden für Informationen zahlen«, sagte Swanson.
»Wieviel?«
»Tausend Dollar in bar, wenn Sie mir alles erzählen, was Sie über Claire Clement wissen.« Swanson zog schnell einen Umschlag aus der Manteltasche und legte ihn auf den Tisch.
»Sind Sie ganz sicher, daß sie nicht in Schwierigkeiten steckt?« fragte Beverly, auf die Goldmine auf dem Tisch starrend.
»Ganz sicher. Nehmen Sie das Geld. Wenn Sie sie seit vier oder fünf Jahren nicht mehr gesehen haben, kann es Ihnen doch egal sein, oder?«
Guter Punkt, dachte sie. Sie griff nach dem Umschlag und steckte ihn in ihre Handtasche. »Da gibt es nicht viel zu erzählen.«
»Wie lange haben Sie mit ihr gearbeitet?«
»Sechs Monate.«
»Und wie lange haben Sie sie gekannt?«
»Sechs Monate. Ich habe als Kellnerin bei Mulligan's gearbeitet, als sie dort anfing. Wir haben uns angefreundet. Dann habe ich die Stadt verlassen und bin Richtung Osten gezogen. Ich habe sie ein- oder zweimal angerufen, als ich in New Jersey lebte, dann haben wir uns aus den Augen verloren.«
»Haben Sie Jeff Kerr gekannt?«
»Nein. Damals ist sie noch nicht mit ihm gegangen. Sie hat mir später von ihm erzählt, nachdem ich die Stadt verlassen hatte.«
»Hatte sie noch andere Freunde oder Freundinnen?«
»Ja, aber fragen Sie mich nicht nach den Namen. Ich bin vor fünf, vielleicht sogar sechs Jahren aus Lawrence abgehauen. Ich weiß nicht einmal mehr, wann genau das war.«
»Sie können mir keine Namen von irgendwelchen ihrer Freunde oder Freundinnen nennen?«
Beverly trank einen Schluck Espresso und dachte eine Minute lang nach. Dann rasselte sie die Namen von drei Personen herunter, die mit Claire gearbeitet hatten. Eine war bereits überprüft worden, ergebnislos. Eine weitere wurde im Moment noch gesucht. Eine war nicht gefunden worden.
»Wo hat Claire das College besucht?«
»Irgendwo im Mittelwesten.«
»Sie wissen nicht, wie das College heißt?«
»Ich glaube nicht. Claire war sehr verschwiegen, was ihre Vergangenheit anging. Man hatte den Eindruck, daß da irgend etwas passiert war und sie nicht darüber reden wollte. Ich weiß nichts darüber. Ich dachte, vielleicht war es eine unglückliche Liebe, vielleicht sogar eine Ehe, oder vielleicht ein schwieriges Elternhaus, eine unglückliche Kindheit oder so etwas. Aber ich habe es nie erfahren.«
»Hat sie mit irgend jemandem darüber gesprochen?«
»Nicht, daß ich wüßte.«
»Wissen Sie, woher sie stammt?«
»Sie hat gesagt, sie wäre viel herumgezogen. Auch danach habe ich nicht viele Fragen gestellt.«
»Stammt sie aus der Gegend um Kansas City?«
»Das weiß ich nicht.«
»Sind Sie sicher, daß Claire Clement ihr wirklicher Name war?«
Beverly wich zurück und runzelte die Stirn. »Sie glauben, daß er vielleicht falsch war?«
»Wir haben Grund zu der Annahme, daß sie jemand anders war, bevor sie in Lawrence, Kansas, eintraf. Erinnern Sie
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