Das Urteil
Entscheidung brauchte Fitchs Zustimmung, die er widerstrebend erteilte.
Der erste Zeuge am Freitag morgen war ein Männchen mit zotteligem Haar, einem dünnen, roten Bart und einer dicken Bifokalbrille. Die Schönheitenparade war offensichtlich vorüber. Sein Name war Dr. Günther, und er war der Ans icht, daß Zigarettenrauch in Wirklichkeit gar keinen Krebs verursacht. Nur zehn Prozent der Raucher bekommen Krebs, also was ist mit den restlichen neunzig Prozent? Wie nicht anders zu erwarten, hatte Günther bergeweise diesbezügliche Untersuchungen und Berichte und konnte es kaum abwarten, sich mit einem Tafelständer und einem Zeigestock vor den Geschworenen aufzubauen und ihnen seine neuesten Erkenntnisse in allen Einzelheiten zu erklären.
Günther war nicht da, um irgend etwas zu beweisen. Sein Job war es, Dr. Hilo Kilvan und Dr. Robert Bronsky, Experten der Anklage, zu widersprechen und so viel Schlamm aufzuwühlen, daß die Geschworenen nicht mehr wußten, wie gefährlich Rauchen nun wirklich war. Er konnte nicht beweisen, daß Rauchen keinen Lungenkrebs verursacht, und deshalb argumentierte er, daß sämtliche Untersuchungen keinen Beweis dafür erbracht hätten, daß Rauchen tatsächlich diese Folgen hatte. »Dazu sind weitere Forschungen erforderlich«, sagte er alle zehn Minuten.
Da er damit rechnen mußte, daß sie ihn beobachtete, ging Fitch die letzten paar hundert Meter bis zur Fulton Street 120 zu Fuß, ein angenehmer Spaziergang auf dem schattigen Gehsteig, auf den sanft die Blätter herniedersegelten. Das Gebäude lag in der Altstadt, vier Blocks vom Golf entfernt, in einer säuberlichen Reihe von ordentlich gestrichenen, zweistöckigen Häusern, von denen die meisten Büros zu enthalten schienen. José wurde angewiesen, drei Straßen entfernt zu warten.
Keine Chance für ein Mikrofon oder eine Wanze. Von dieser Gewohnheit hatte sie ihn bei ihrer letzten Zusammenkunft, auf der Pier, kuriert. Fitch war allein, drahtlos, mikrofonlos, wanzenlos, ohne eine Kamera oder einen Agenten in der Nähe. Er kam sich wie befreit vor. Er würde einzig und allein auf seinen Verstand angewiesen sein, und die Herausforderung war ihm willkommen.
Er stieg die abgetretene Holztreppe hinauf, stand vor ihrer ungekennzeichneten Bürotür, nahm andere, ebenfalls ungekennzeichnete Bürotüren auf dem engen Flur wahr, und klopfte leise. »Wer ist da?« kam ihre Stimme.
»Rankin Fitch«, antwortete er gerade so laut, daß sie ihn hören konnte.
Innen wurde ein Riegel zurückgeschoben, dann erschien Marlee in Jeans und einem grauen Sweatshirt, ohne ein Lächeln oder eine andere Art der Begrüßung. Sie machte hinter Fitch die Tür zu, schloß ab und ging zu einer Seite eines gemieteten Klapptisches. Fitch schaute sich rasch um. Ein kleines Zimmer ohne Fenster, nur eine Tür, abblätternde Farbe, drei Stühle und ein Tisch. »Hübsche Bude«, sagte er und betrachtete die braunen Wasserflecke an der Decke.
»Sie ist sauber, Fitch. Keine Telefone zum Anzapfen, keine Wandöffnungen für Kameras, keine Drähte in den Wänden. Ich überprüfe es jeden Morgen, und wenn ich Ihre Spuren finde, dann gehe ich einfach zur Tür hinaus und komme nie wieder.«
»Sie haben eine schlechte Meinung von mir.«
»Genau die, die Sie verdienen.«
Fitch schaute wieder zur Decke und dann auf den Fußboden. »Mir gefällt es hier.«
»Es erfüllt seinen Zweck.«
»Und was ist dieser Zweck?«
Ihre Handtasche war der einzige Gegenstand auf dem Tisch.
Sie holte den Sensor heraus und tastete Fitch damit von Kopf bis Fuß ab.
»Was soll das, Marlee?« protestierte er. »Ich habe es doch versprochen.«
»Ja. Sie sind sauber. Setzen Sie sich«, sagte sie, mit einem Nicken auf einen der beiden Stühle auf seiner Seite des Tisches deutend. Fitch schüttelte den Klappstuhl, eine ziemlich fragwürdige Angelegenheit, die seinem massigen Körper womöglich nicht gewachsen war. Er ließ sich vorsichtig darauf nieder, dann lehnte er sich mit den Ellenbogen auf den Tisch, der auch nicht gerade besonders stabil war. Insgesamt eine nicht sehr bequeme Position. »Sind wir bereit, über Geld zu reden?« fragte er mit einem unschönen Grinsen.
»Ja. Es ist im Grunde ein einfaches Geschäft. Sie überweisen mir einen Haufen Geld, und ich verspreche, Ihnen einen Urteilsspruch zu liefern.«
»Ich finde, wir sollten bis nach dem Urteil warten.«
»Sie wissen, daß ich nicht so dämlich bin.«
Der Klapptisch war neunzig Zentimeter breit. Beide beugten sich
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