Das Urteil
darüber, ihre Gesichter waren nicht weit voneinander entfernt. Fitch setzte häufig seine Körpermasse, seine bösartigen Augen und seinen finsteren Spitzbart ein, um die Menschen in seiner Umgebung einzuschüchtern, vor allem die jüngeren Anwälte in den Kanzleien, die er anheuerte. Wenn Marlee eingeschüchtert war, ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Fitch bewunderte ihre Haltung. Sie schaute ihm direkt in die Augen, ohne zu blinzeln, eine höchst bemerkenswerte Leistung.
»Dann gibt es keinerlei Garantien«, sagte er. »Jurys sind unberechenbar. Wir könnten Ihnen das Geld…«
»Geben Sie's auf, Fitch. Sie und ich, wir wissen beide, daß das Geld vor dem Urteil gezahlt werden wird.«
»Wieviel Geld?«
»Zehn Millionen.«
Aus seiner Kehle drang ein Geräusch, das sich anhörte, als erstickte er an einem Golfball, dann hustete er laut, seine Ellenbogen flogen hoch, er verdrehte die Augen, und seine fetten Wangen zuckten ungläubig und fassungslos. »Soll das ein Witz sein?« brachte er schließlich mit einer kratzenden Stimme heraus, wobei er sich nach einem Glas Wasser oder einem Glas mit Hilen oder sonst etwas umsah, das ihm über diesen fürchterlichen Schock hinweghelfen konnte.
Sie sah sich die Show gelassen an, ohne zu blinzeln, ohne den Blick von ihm abzuwenden. »Zehn Millionen, Fitch. Es ist ein gutes Geschäft. Und es ist nicht verhandelbar.«
Er hustete abermals, jetzt mit etwas röterem Gesicht. Dann gewann er seine Gelassenheit zurück und überlegte eine Antwort. Er hatte damit gerechnet, daß es Millionen sein würden, und er wußte, daß es sich albern anhören würde, wenn er sie herunterzuhandeln versuchte, als ob sein Klient sich das nicht leisten könnte. Wahrscheinlich kannte sie die neuesten Vierteljahresbilanzen für jeden der Großen Vier.
»Wieviel haben Sie in Ihrem Fonds?« fragte sie, und Fitchs Augen verengten sich instinktiv. Soweit er wußte, hatte sie noch nicht geblinzelt.
»Worin?«
»In Ihrem Fonds, Fitch. Lassen Sie die Spielchen. Ich weiß alles über Ihre kleine schwarze Kasse. Ich möchte, daß die zehn Millionen per Kabel vom Konto des Fonds auf eine Bank in Singapur überwiesen werden.«
»Ich glaube nicht, daß ich das kann.«
»Sie können alles, was Sie wollen, Fitch. Also hören Sie mit dem Unsinn auf. Lassen Sie uns das Geschäft jetzt abschließen, damit wir weitermachen können.«
»Wie wär's, wenn wir jetzt fünf überweisen und fünf nach dem Urteil?«
»Vergessen Sie's, Fitch. Es sind zehn Millionen sofort. Ich halte absolut nichts von der Idee, Ihnen nach dem Prozeß nachjagen und versuchen zu müssen, die zweite Rate zu kassieren. Ich glaube nämlich, daß ich damit eine Menge Zeit vergeuden würde.«
»Wann sollen wir es überweisen?«
»Das ist mir egal. Hauptsache, daß es eingegangen ist, bevor die Jury den Fall bekommt. Sonst ist das Geschäft gestorben.«
»Und was passiert, wenn das Geschäft nicht zustande kommt?«
»Eines von zwei Dingen. Nicholas wird entweder für ein Unentschieden sorgen oder für neun gegen drei Stimmen zugunsten der Klägerin.«
Jetzt war es vorbei mit Fitchs ungerührt glattem Gesichtsausdruck. Über seinen Augen zogen sich zwei tiefe Falten zusammen, während er diese so sachlich vorgebrachten Vorhersagen zu verdauen versuchte. Fitch hatte keinerlei Zweifel an Nicholas' Möglichkeiten, weil Marlee keine Zweifel hatte. Er rieb sich langsam die Augen. Das Spiel war gelaufen. Keine weiteren übertriebenen Reaktionen auf irgend etwas, das sie sagte. Keine geheuchelte Fassungslosigkeit mehr angesichts ihrer Forderung. Sie hatte das Heft in der Hand.
»Abgemacht«, sagte er. »Wir überweisen das Geld, wohin Sie es haben wollen. Aber ich muß Sie darauf hinweisen, daß Überweisungen einige Zeit dauern können.«
»Ich weiß mehr über Datenfernübertragung als Sie, Fitch. Ich werde Ihnen genau erklären, wie es gemacht werden soll. Später.«
»Ja, Madam.«
»Wir sind uns also einig?«
»Ja«, sagte er und streckte seine Hand über den Tisch. Sie schüttelte sie. Beide lächelten über die Absurdität. Zwei Gauner, die mit Handschlag eine Vereinbarung besiegeln, die vor keinem Gericht durchgesetzt werden konnte, weil kein Gericht je etwas davon erfahren würde.
Beverly Monk wohnte auf dem Dachboden im fünften Stock eines schäbigen Lagerhauses in Greenwich Village. Sie teilte die Wohnung mit vier anderen halbverhungerten Schauspielerinnen. Swanson folgte ihr in ein kleines Café und wartete, bis
Weitere Kostenlose Bücher