Das Urteil
Umschlag und entnahm ihm ein einzelnes Blatt weißes Papier. Genau in der Mitte stand, gleichfalls in Druckbuchstaben: »Lieber Mr. Fitch: Morgen wird Geschworener Nummer zwei, Easter, einen grauen, mit Rot abgesetzten Golfpullover tragen, eine khakifarbene Hose, weiße Socken und braune Schnürschuhe.«
Der Chauffeur José kam von einem Wasserspender herbeigeschlendert und stellte sich wie ein gehorsamer Wachhund neben seinen Boß. Fitch las die Nachricht noch einmal und starrte José an, ohne ihn wirklich zu sehen. Er ging zur Tür, öffnete sie einen Spaltbreit und bat den Deputy, einen Moment herauszukommen.
»Was ist los?« fragte der Deputy. Sein Platz war drinnen an der Tür, und er war ein Mann, der Befehle befolgte.
»Wer hat Ihnen das gegeben?« fragte Fitch so höflich, wie es ihm möglich war. Die beiden Deputies, die den Metalldetektor bedienten, beobachteten ihn neugierig.
»Eine Frau. Den Namen weiß ich nicht.«
»Wann hat sie es Ihnen gegeben?«
»Kurz bevor Sie gingen. Gerade mal eine Minute her.« Daraufhin schaute Fitch sich schnell um. »Sehen Sie sie irgendwo?«
»Nein«, erwiderte er nach einem flüchtigen Blick.
»Können Sie sie beschreiben?«
Er war Polizist, und Polizisten sind darauf trainiert, Dinge zu registrieren. »Natürlich. Ende Zwanzig, einssiebzig, vielleicht einsfünfundsiebzig groß. Kurzes, braunes Haar. Braune Augen.
Verdammt gutaussehend. Schlank.«
»Was hatte sie an?«
Es war ihm nicht aufgefallen, aber das konnte er nicht zugeben. »Ähem, ein helles Kleid, eine Art Beige, Baumwolle, vorn durchgeknöpft.«
Fitch nahm das auf, dachte einen Moment nach und fragte dann: »Was hat sie zu Ihnen gesagt?«
»Nicht viel. Hat mich nur gebeten, Ihnen diesen Umschlag zu geben. Dann war sie fort.«
»Irgend etwas Ungewöhnliches an der Art, wie sie redete?« »Nein. Hören Sie, ich muß wieder nach drinnen.«
»Natürlich. Danke.«
Fitch und José stiegen die Treppe hinunter und durchstreiften das ganze Erdgeschoß. Dann gingen sie nach draußen und wanderten um das Gerichtsgebäude herum. Beide rauchten und taten so, als wären sie nur herausgekommen, um ein bißchen frische Luft zu schöpfen.
Es hatte damals zweieinhalb Tage gedauert, bis die Videovernehmung von Jacob Wood beendet war. Richter Harkin hatte die Streitereien zwischen den Anwälten, die Unterbrechungen durch die Krankenschwestern und die irrelevanten Teile der Aussage herausschneiden und das Ganze auf zwei Stunden und einunddreißig Minuten kürzen lassen. Es kam ihnen vor wie Tage. Zuzuhören, wie der arme Mann seine Rauchergeschichte erzählte, war bis zu einem gewissen Grade interessant, aber die Geschworenen wünschten sich bald, Harkin hätte noch stärker gekürzt. Jacob hatte im Alter von sechzehn Jahren begonnen, Redtops zu rauchen, weil all seine Freunde Redtops rauchten. Bald war es ihm zur Gewohnheit geworden, und er rauchte zwei Schachteln pro Tag. Als er aus der Marine ausschied, gab er die Redtops auf; er hatte geheiratet, und seine Frau hatte ihn überredet, eine Marke mit Filter zu rauchen. Sie wollte, daß er ganz aufhörte. Er konnte es nicht, also ging er zu Bristols über, weil die Werbung behauptete, sie enthielten weniger Teer und Nikotin. Als er fünfundzwanzig war, rauchte er drei Schachteln am Tag. Er erinnerte sich gut daran, weil ihr erstes Kind geboren wurde, als Jacob fünfundzwanzig war, und Celeste Wood hatte ihn gewarnt, wenn er nicht mit dem Rauchen aufhörte, würde er nicht lange genug leben, um sein erstes Enkelkind zu sehen. Sie weigerte sich, Zigaretten mitzubringen, wenn sie einkaufen ging, also besorgte Jacob sie sich selbst. Er brauchte im Durchschnitt zwei Stangen pro Woche, zwanzig Schachteln, und gewöhnlich erstand er zwischendurch noch ein bis zwei Schachteln dazu, bis er sie wieder stangenweise kaufen konnte. Er wollte unbedingt aufhören. Einmal hatte er es zwei Wochen lang geschafft, und dann hatte er sich in der Nacht aus dem Bett geschlichen und wieder angefangen. Ein paarmal hatte er seinen Konsum auf zwei Schachteln pro Tag reduziert und dann auf eine, aber bevor er recht wußte, wie ihm geschah, war er wieder bei drei angelangt. Er war bei Ärzten gewesen und bei Hypnotiseuren. Er hatte es mit Akupunktur und nikotinhaltigem Kaugummi versucht, aber er konnte einfach nicht aufhören. Er konnte es nicht, nachdem festgestellt worden war, daß er ein Emphysem hatte, und er konnte es auch nicht, als man ihm sagte, daß er Lungenkrebs hatte.
Es war das
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