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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Sie ihm, er soll im Hinterzimmer decken.«
    Sie speisten Krabbencocktail und gegrillten Schnappbarsch, frische Austern und Mahoney's berühmten Gumbo. Nachdem sie ein paar Minuten nach halb drei mit dem Dessert fertig waren, folgten sie Richter Harkin in gemächlichem Tempo zurück ins Gerichtsgebäude. Als die Geschworenen für die Nachmittagssitzung auf ihre Plätze zurückgekehrt waren, hatten alle Anwesenden die Geschichte von ihrem vorzüglichen Lunch gehört.
    Neal O'Reilly, der Besitzer des Imbisses, traf später mit Richter Harkin zusammen und schwor auf die Bibel, daß er mit jemandem gesprochen hatte, einer jungen Frau, die angeblich zum Büro der Kanzleivorsteherin gehörte, und daß sie ihn ausdrücklich angewiesen hatte, den Lunch um genau halb zwei zu liefern.
    Der erste Zeuge des Prozesses war der verstorbene Jacob Wood. Er war ein paar Monate vor seinem Tod vernommen und die Vernehmung auf Video aufgezeichnet worden. Zwei Fünfzig-Zentimeter-Monitore wurden vor die Geschworenen gerollt und sechs weitere im Saal verteilt. Die Kabel waren verlegt worden, während die Geschworenen bei Mary Mahoney's schlemmten.
    Jacob Wood lag, mit Kissen gestützt, in etwas, das aussah wie ein Krankenhausbett. Er trug ein schlichtes weißes T-Shirt; von der Taille abwärts war sein Körper mit einem Laken bedeckt. Er war dünn, abgezehrt und blaß und wurde durch einen dünnen Schlauch, der von hinten an seinem knochigen Hals entlang zu seiner Nase führte, mit Sauerstoff versorgt. Auf die Aufforderung hin, anzufangen, schaute er in die Kamera und nannte seinen Namen und seine Adresse. Seine Stimme war heiser und kraftlos. Er litt auch an einem Emphysem.
    Obwohl er von Anwälten umringt war, war Jacobs Gesicht das einzige, das auf dem Bildschirm erschien. Gelegentlich kam es außerhalb des Aufnahmebereichs der Kamera zu einem kleinen Geplänkel zwischen den Anwälten, aber Jacob schien das nicht zu stören. Er war einundfünfzig, sah zwanzig Jahre älter aus und stand ganz offensichtlich an der Schwelle zum Tod.
    Auf Aufforderung seines Anwalts, Wendall Rohr, lieferte er seine Biographie vom Tag seiner Geburt an, und das dauerte fast eine Stunde. Kindheit, Grundschule, Jugendfreunde, Wohnorte, Marine, Heirat, Jobs, Kinder, Hobbies, Freunde als Erwachsener, Reisen, Urlaub, Enkelkinder, Gedanken an den Ruhestand. Einem Toten beim Reden zuzusehen war anfangs recht faszinierend, aber den Geschworenen wurde bald klar, daß sein Leben ebenso eintönig verlaufen war wie das ihre. Der üppige Lunch machte sich bemerkbar, und sie begannen unruhig herumzurutschen. Hirne und Augenlider wurden träge. Sogar Herman, der nur die Stimme hören und sich das Gesicht vorstellen konnte, langweilte sich. Glücklicherweise begann auch Seine Ehren unter demselben Nachmittagstief zu leiden, und nach einer Stunde und zwanzig Minuten ordnete er eine kurze Unterbrechung an.
    Die vier Raucher in der Jury brauchten eine Zigarettenpause, und Lou Dell geleitete sie zu einem Zimmer mit einem offenen Fenster neben der Herrentoilette. Es war die kleine Kammer, in der normalerweise kriminelle Jugendliche darauf warteten, dem Gericht vorgeführt zu werden. »Wenn Sie es nach diesem Prozeß nicht schaffen, mit dem Rauchen aufzuhören, dann stimmt aber etwas nicht«, sagte sie mit einem sehr schwachen Versuch, einen Scherz zu machen. Keiner der vier lächelte. »Tut mir leid«, sagte sie und machte die Tür hinter sich zu. Jerry Fernandez, achtunddreißig, ein Autoverkäufer mit hohen Kasinoschulden und einer kaputten Ehe, zündete seine Zigarette als erster an, dann schwenkte er sein Feuerzeug vor den Gesichtern der drei Frauen. Alle taten tiefe Züge und bliesen dicke Qualmwolken in Richtung Fenster. »Auf Jacob Wood«, sagte Jerry als Toast. Keine Reaktion von den drei Frauen. Sie waren zu sehr mit Rauchen beschäftigt.
    Mr. Obmann Grimes hatte bereits einen kurzen Vortrag darüber gehalten, daß es ungesetzlich war, über den Fall zu sprechen; er würde es schon deshalb keinesfalls dulden, weil Richter Harkin es immer wieder so nachdrücklich betonte. Aber Herman war nicht im Zimmer, und Jerry war neugierig. »Ich frage mich, ob Jacob je ans Aufhören gedacht hat«, sagte er, niemanden direkt ansprechend.
    Sylvia Taylor-Tatum, die heftig an einer schlanken, emanzipierten Zigarette sog, erwiderte: »Ich bin sicher, daß wir das noch erfahren werden«; dann stieß sie eine beeindruckende Menge von bläulichem Dunst aus ihrer langen, spitzen Nase aus.

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