Das Urteil
ein paar Schritte den Flur entlang, in einem separaten Zimmer mit Kamin und einem Elchkopf über dem Sims. Sie aßen dicke Steaks mit Sauce und Pilzen. Lonnie schlief in dieser Nacht in einer Suite im zweiten Stock des Country Clubs und erwachte mit einer herrlichen Aussicht und einem leichten Kater.
Für den späteren Sonntagmorgen waren nur zwei Sitzungen geplant. Die erste, bei der auch Ken anwesend war, war eine Planungskonferenz mit George Teaker, im Jogginganzug und frisch von einem Fünf-Meilen-Lauf zurückgekehrt. »Das beste Mittel gegen einen Kater«, sagte er. Er wollte, daß Lonnie den Laden in Biloxi für einen Zeitraum von neunzig Tagen unter einem neuen Vertrag leitete, nach dessen Ablauf sie seine Leistung bewerten würden. Vorausgesetzt, daß alle mit ihm zufrieden waren, wovon sie natürlich ausgingen, würde er dann in einen größeren Laden versetzt werden, wahrscheinlich in der Gegend um Atlanta. Ein größerer Laden bedeutete mehr Verantwortung und mehr Gehalt. Nach einem Jahr dort würde er erneut beurteilt und wahrscheinlich abermals befördert werden. Während dieses Zeitraums von fünfzehn Monaten würde er jeden Monat mindestens ein Wochenende in Charlotte bei einem Manager-Ausbildungsprogramm verbringen, das in einer Broschüre auf dem Tisch bis ins letzte Detail beschrieben war.
Teaker kam schließlich zum Ende und bestellte noch mehr schwarzen Kaffee.
Der letzte Gast war ein drahtiger junger Schwarzer mit einem kahlen Kopf, der einen formellen Anzug und eine Krawatte trug. Sein Name war Taunton, und er war ein Anwalt aus New York, genaugenommen von der Wall Street. Seine Kanzlei vertrat Listing Foods, erklärte er ernst, sie arbeitete sogar ausschließlich für Listing. Er war hier, um den Entwurf eines Anstellungsvertrags vorzulegen, eine Routineangelegenheit, aber trotzdem sehr wichtig. Er übergab Lonnie ein Dokument, nur drei oder vier Seiten, aber es kam ihm wesentlich schwerer vor, weil es die Reise von der Wall Street nach Charlotte gemacht hatte. Lonnie war so beeindruckt, daß ihm die Worte fehlten.
»Schauen Sie sich das an«, sagte Taunton und tippte sich mit einem Designerstift ans Kinn. »Und dann reden wir nächste Woche darüber. Es ist so ziemlich ein Standardvertrag. Der Paragraph über die Vergütung enthält ein paar Leerstellen. Die füllen wir dann später aus.«
Lonnie warf einen Blick auf die erste Seite, dann legte er ihn zu den anderen Papieren, Heften und Broschüren auf den Stapel, der von Minute zu Minute wuchs. Taunton holte einen Notizblock hervor und schien sich auf ein unerfreuliches Kreuzverhör vorzubereiten. »Nur noch ein paar Fragen«, sagte er.
Lonnie mußte plötzlich an den Gerichtssaal in Biloxi denken, wo die Anwälte immer ›nur noch ein paar Fragen‹ hatten.
»Natürlich«, sagte Lonnie mit einem Blick auf die Uhr. Er konnte nicht anders.
»Keine Vorstrafen irgendwelcher Art?«
»Nein. Nur ein paar Bußgelder wegen Geschwindigkeitsübertretung.«
»Kein gegen Sie selbst anhängiger Prozeß?«
»Nein.«
»Oder gegen Ihre Frau?«
»Nein.«
»Haben Sie je Konkurs angemeldet?«
»Nein.«
»Jemals verhaftet worden?«
»Nein.«
»Angeklagt?«
»Nein.«
Taunton schlug eine neue Seite auf. »Waren Sie in Ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer je in einen Prozeß verwickelt?« »Da muß ich nachdenken. Vor ungefähr vier Jahren ist ein alter Mann auf einem feuchten Boden ausgerutscht und gestürzt.
Er hat geklagt, und ich bin vernommen worden.«
»Ist die Sache vor Gericht gekommen?« fragte Taunton sehr interessiert. Er hatte die Gerichtsakte gelesen, hatte eine Kopie davon in seinem dicken Aktenkoffer und kannte jedes Detail der Klage des alten Mannes.
»Nein. Die Versicherung hat einen Vergleich mit ihm geschlossen. Ich glaube, sie hat ihm zwanzigtausend oder so gezahlt.«
Es waren fünfundzwanzigtausend gewesen, und Taunton schrieb diese Zahl auf seinen Block. Das Drehbuch verlangte, daß jetzt Teaker das Wort ergriff. »Diese verdammten Prozeßanwälte. Sie vergiften die ganze Gesellschaft.« Taunton sah Lonnie an und dann Teaker, dann sagte er abwehrend: »Ich bin kein Prozeßanwalt.«
»Oh, das weiß ich«, sagte Teaker. »Sie sind einer von den Braven. Was ich hasse, das sind diese gierigen Kerle, die sich auf jeden Verletzten stürzen.«
»Wissen Sie, was wir letztes Jahr für unsere Haftpflichtversicherung gezahlt haben?« fragte Taunton Lonnie, als wäre er imstande, eine kluge Vermutung anzustellen. Er
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