Das Urteil
einem der vielen Finanzanalytiker gegenüber die Bemerkung heraus, daß man Stella Hulic allgemein für eine gute Geschworene der Verteidigung gehalten hatte. Die Sache ging von Mund zu Mund, und Stellas Bedeutung für die Tabakindustrie wuchs mit jeder Wiederholung, und als schließlich die Anrufe nach New York rausgingen, hatte die Verteidigung ihren wertvollsten Besitz verloren - Stella Hulic, die zu diesem Zeitpunkt längst im martinibeseelten Koma auf dem heimatlichen Sofa lag.
Die Gerüchteküche beschäftigte sich auch mit der absolut köstlichen Information, daß jemand in die Wohnung des Geschworenen Easter eingebrochen war. Man konnte guten Gewissens annehmen, daß der Einbrecher von der Tabakindustrie bezahlt worden war. Sie waren ertappt worden oder standen zumindest unter starkem Verdacht, und so sahen die Dinge für die Verteidigung im Moment rundum ziemlich schlecht aus. Sie waren beim Mogeln erwischt worden. Der Himmel stürzte ein.
Pynex eröffnete am Dienstag bei neunundsiebzigeinhalb und fiel dann rasch auf achtundsiebzig, als im Laufe des Vormittags immer hitziger gehandelt wurde und die Gerüchte wie Pilze aus dem Boden schossen. Am Spätvormittag standen die Aktien bei sechsundsiebzig Dollar fünfundzwanzig, als eine neue Meldung aus Biloxi eintraf. Ein Analytiker, der da unten wirklich im Gerichtssaal saß, rief sein Büro an und berichtete, daß die Geschworenen sich an diesem Morgen geweigert hatten, herauszukommen. Sie seien in den Streik getreten, weil sie es satt hatten, sich die langweiligen Aussagen der Experten der Anklage anzuhören.
Binnen Sekunden war der Bericht hundertmal wiederholt worden und die Wall Street war erfüllt von der Botschaft, daß die Geschworenen gegen die Anklage revoltierten. Der Aktienpreis sprang sofort auf siebenundsiebzig, flog an achtundsiebzig vorbei, erreichte neunundsiebzig und näherte sich gegen Mittag achtzig.
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V on den sechs noch in der Jury verbliebenen Frauen war Rikki Coleman, die gesundheitsbewußte, hübsche, zweiunddreißig Jahre alte Mutter von zwei Kindern, diejenige, die Fitch am dringendsten loswerden wollte. Sie verdiente einundzwanzigtausend Dollar im Jahr im Krankenarchiv eines Stadtteilkrankenhauses. Ihr Mann verdiente sechsunddreißigtausend Dollar als Privatpilot. Sie wohnten in einem hübschen Vorstadthaus mit gemähtem Rasen und einer Neunzigtausend-Dollar-Hypothek, und beide fuhren einen abbezahlten japanischen Wagen. Sie lebten sparsam und legten ihr Geld vorsichtig an - allein im letzten Jahr achttaus end Dollar in einem Investmentfonds. Sie waren sehr aktiv in einer Kirche in ihrer Nachbarschaft - sie unterrichtete die Kleinen in der Sonntagsschule, und er sang im Chor.
Offensichtlich hatten die Colemans keine schlechten Angewohnheiten. Beide waren Nichtraucher, und es gab auch keinerlei Hinweise auf gesteigerten Alkoholkonsum. Er joggte und spielte Tennis, sie verbrachte täglich eine Stunde in einem Fitneß-Club. Fitch fürchtete sie als Geschworene wegen ihres sauberen Lebens und ihrer Arbeit im Gesundheitswesen.
Aus den medizinischen Unterlagen, die sie sich von ihrem Gynäkologen beschafft hatten, ging nichts Bemerkenswertes hervor. Zwei Schwangerschaften mit problemlosen Entbindungen. Die jährlichen Kontrolluntersuchungen wurden termingerecht absolviert. Eine Mammographie vor zwei Jahren hatte nichts Ungewöhnliches ergeben. Sie war einsfünfund sechzig groß und wog achtundfünfzig Kilo.
Fitch hatte medizinische Unterlagen von sieben der zwölf Geschworenen. Die von Easter hatten sie aus bekannten Gründen nicht auftreiben können. Herman Grimes war blind und hatte nichts zu verbergen. Savelle war neu, und Fitch war am Graben. Lonnie Shaver war seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr beim Arzt gewesen. Sylvia Taylor-Tatums Arzt war zwei Monate zuvor bei einem Bootsunglück ums Leben gekommen, und sein Nachfolger war ein Anfänger, der noch nicht wußte, wie das Spiel gespielt wurde.
Es war ein Spiel mit harten Bandagen, und den größten Teil der Regeln hatte Fitch geschrieben. Jedes Jahr zahlte sein Fonds eine Million Dollar an eine Organisation, die sich Judicial Reform Alliance nannte und sich in Washington lautstark Gehör verschaffte; sie wurde in erster Linie von Versicherungsgesellschaften, Ärztevereinigungen und Industrieverbänden finanziert. Und von den Tabakkonzernen. Jeder der Großen Vier verbuchte jährlich Beiträge von hunderttausend Dollar, und Fitch und sein Fonds schoben eine weitere Million
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