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Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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zu bewachen.
    Die Zimmer waren ihnen von Richter Harkin selbst zugewiesen worden. Das Gepäck stand bereits in den jeweiligen Zimmern, ungeöffnet und eindeutig undurchsucht. Von Lou Dell, deren Selbstbewußtsein stündlich zunahm, wurden Schlüssel wie Bonbons ausgehändigt. Betten wurden inspiziert aus irgendeinem Grund Doppelbetten in allen Zimmern. Fernseher wurden eingeschaltet - vergeblich. Keine Programme, keine Nachrichten während der Isolierung. Nur Filme von der Sendestation des Motels. Badezimmer wurden in Augenschein genommen, Wasserhähne kontrolliert, Toilettenspülungen betätigt. Zwei Wochen hier würden ihnen vorkommen wie ein Jahr.
    Der Bus wurde natürlich von Fitchs Leuten verfolgt. Er verließ das Gerichtsgebäude mit einer Polizeieskorte, Polizisten auf Motorrädern davor und dahinter. Es war leicht, sich an die Polizisten anzuhängen. Auch zwei für Rohr arbeitende Detektive fuhren hinterher. Niemand rechnete damit, daß die Lage des Motels ein Geheimnis bleiben würde.
    Nicholas hatte Savelle auf der einen und Colonel Herrera auf der anderen Seite. Die Zimmer der Männer lagen nebeneinander; die der Frauen befanden sich auf der anderen Seite des Flurs, als genügte eine strikte Trennung, um unerlaubte Techtelmechtel zu verhindern. Fünf Minuten nach dem Aufschließen der Tür schien das Zimmer immer enger zu werden, und zehn Minuten später klopfte Willis laut an und erkundigte sich, ob alles in Ordnung wäre. »Einfach wundervoll«, sagte Nicholas, ohne die Tür zu öffnen.
    Das Telefon war ebenso entfernt worden wie die Mini-Bar. Aus einem Zimmer am Ende des Flurs waren die Betten herausgeschafft worden; statt dessen war es mit zwei runden Tischen, Telefonen, bequemen Sesseln, einem Fernseher mit großem Bildschirm und einer mit allen erdenklichen alkoholfreien Getränken ausgestatteten Bar möbliert worden. Jemand nannte es das Partyzimmer, und der Name blieb kleben. Jedes Telefongespräch mußte von einem ihrer Bewacher genehmigt werden, eingehende Anrufe waren nicht erlaubt. Für Notfälle stand die Rezeption zur Verfügung. In Zimmer 40, dem Partyzimmer genau gegenüber, waren gleichfalls die Betten entfernt und durch einen provisorischen Eßtisch ersetzt worden.
    Kein Geschworener durfte den Flügel ohne vorherige Genehmigung von Richter Harkin oder einer an Ort und Stelle erteilten Erlaubnis von Lou Dell oder einem der Deputies verlassen. Es gab keine Sperrstunde, weil es keinen Ort gab, wo man hätte hingehen können, aber im Partyzimmer war um zehn Uhr Schluß.
    Abendessen gab es von sechs bis sieben, Frühstück von sechs bis halb neun, und man verlangte nicht von ihnen, daß sie en masse aßen. Sie konnten kommen und gehen. Sie konnten sich ihr Essen auf einen Teller packen und es in ihrem Zimmer verspeisen. Richter Harkin war sehr an der Qualität des Essens gelegen, und er wollte jeden Morgen informiert werden, ob sich jemand darüber beschwert hatte.
    Das Menü am Dienstag abend war entweder gebratenes Hähnchen oder gegrillter Schnappbarsch mit Salat und viel Gemüse. Sie waren verblüfft über ihren Appetit. Obwohl sie den ganzen Tag über nichts getan hatten, als dazusitzen und zuzuhören, waren die meisten von ihnen, als um sechs das Essen eintraf, regelrecht schwach vor Hunger. Nicholas packte sich als erster seinen Teller voll und setzte sich ans Ende des Tisches, wo er alle in ein Gespräch zog und darauf bestand, daß sie als Gruppe aßen. Er war lebhaft und fröhlich und tat so, als wäre die Isolierung nichts als ein Abenteuer. Seine gute Laune war ansteckend.
    Nur Herman Grimes aß in seinem Zimmer. Mrs. Grimes füllte zwei Teller und verschwand sofort wieder. Richter Harkin hatte ihr in schriftlicher Form streng verboten, mit den anderen Geschworenen zu essen. Das gleiche galt für Lou Dell, Willis und Chuck. Deshalb brach, als Lou Dell mit dem Gedanken an Essen hereinkam und Nicholas mitten in einer Geschichte antraf, die Unterhaltung sofort ab. Sie warf ein paar grüne Bohnen neben eine Hähnchenbrust und ein belegtes Brötchen und verschwand wieder.
    Sie waren jetzt eine Gruppe, isoliert und im Exil, von der Realität abgeschnitten und gegen ihren Willen in ein Siesta Inn verbannt. Sie hatten niemanden außer sich selbst. Easter war entschlossen, sie bei Laune zu halten. Sie würden eine Gemeinschaft sein, wenn nicht gar eine Familie. Er würde sich bemühen, Grüppchen- und Cliquenbildungen zu verhindern.
    Sie sahen sich im Partyzimmer zwei Filme an. Um zehn

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