Das Urteil
dreizehn Tage zuvor die Nachricht von Marlee entgegengenommen und sie Fitch ausgehändigt hatte, wurde in der Mittagspause angesprochen. Man bot ihm fünftausend Dollar, wenn er sich mit Magenkrämpfen oder Durchfall oder sonst etwas dergleichen krankmelden und in Zivil mit Pang nach New Orleans fahren würde, für einen Abend und eine Nacht mit gutem Essen, viel Spaß und vielleicht einem Callgirl, falls Jumper der Sinn danach stand. Pang verlangte nur ein paar Stunden leichte Arbeit von ihm. Jumper brauchte das Geld.
Sie verließen Biloxi um halb eins in einem gemieteten Transporter. Als sie zwei Stunden später in New Orleans angekommen waren, hatte sich Jumper überreden lassen, vorübergehend für Arlington West Associates zu arbeiten. Pang bot ihm fünfundzwanzigtausend Dollar für sechs Monate Arbeit, neuntausend mehr, als er gegenwärtig im ganzen Jahr verdiente.
Sie bezogen ihre Zimmer im St. Regis, zwei Einzelzimmer, die beiderseits neben dem von Fitch lagen. Fitch hatte im Hotel nur vier Zimmer requirieren können. Hollys Zimmer lag am gleichen Korridor, Dubaz, Joe Boy und Dante logierten vier Blocks entfernt im Royal Sonesta. Jumper wurde auf einem Barhocker im Foyer deponiert, von wo aus er den Vordereingang des Hotels beobachten konnte.
Das Warten begann. Keine Spur von ihr, als sich der Nachmittag hinschleppte und es dunkel wurde, und darüber wunderte sich auch niemand. Jumper wurde viermal umgesetzt und hatte das Beschatten bald satt.
Fitch verließ ein paar Minuten vor sieben sein Zimmer und fuhr mit dem Fahrstuhl aufs Dach. Sein Tisch stand in einer Ecke, mit einer hübschen Aussicht auf das French Quarter. Holly und Dubaz saßen an einem drei Meter entfernten Tisch, beide gut gekleidet und anscheinend nur mit sich selbst beschäftigt. Dante und eine angeheuerte Gesellschafterin in einem schwarzen Minirock saßen an einem weiteren Tisch. Joe Boy würde die Fotos machen.
Um halb acht erschien sie aus dem Nirgendwo. Weder Jumper noch Pang hatten gemeldet, daß sie sie irgendwo in der Nähe des Foyers gesehen hatten. Sie kam einfach durch eine der offenen Terrassentüren auf das Dach und war in Sekundenschnelle an Fitchs Tisch. Später vermutete er, daß sie dasselbe getan hatte wie er - sie hatte sich unter einem anderen Namen ein Zimmer im Hotel genommen und schlicht die Treppe benutzt. Sie trug eine lange Hose und eine Jacke, und sie war sehr hübsch - kurzes, dunkles Haar, braune Augen, entschlossenes Kinn, ausgeprägte Wangenknochen; sehr wenig Makeup, aber sie brauchte auch nicht viel. Er schätzte ihr Alter auf achtundzwanzig bis zweiunddreißig. Sie setzte sich rasch, so schnell, daß Fitch keine Chance hatte, ihr einen Stuhl anzubieten. Sie ließ sich ihm direkt gegenüber nieder, mit dem Rücken zu den anderen Tischen.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, sagte er leise und ließ den Blick zu den anderen Tischen wandern, um zu sehen, ob jemand mithörte.
»Ja, ich auch«, erwiderte sie und stützte sich auf die Ellenbogen.
Der Kellner erschien prompt und fragte beflissen, ob sie etwas zu trinken haben wollte. Nein, das wollte sie nicht. Der Kellner war mit Bargeld bestochen worden, alles an sich zu nehmen, was sie mit den Fingern berührte - Gläser, Besteck, Aschenbecher und so weiter. Er sollte keine Chance dazu bekommen.
»Haben Sie Hunger?« fragte Fitch und trank einen Schluck Mineralwasser.
»Nein, ich habe es eilig.«
»Weshalb?«
»Je länger ich hier sitze, desto mehr Fotos können Ihre Gauner machen.«
»Ich bin allein gekommen.«
»Natürlich sind Sie das. Wie haben Ihnen die roten Socken gefallen?« Auf der anderen Seite des Daches begann eine Jazzband zu spielen, aber sie ignorierte sie. Ihre Augen waren unverwandt auf Fitch gerichtet.
Fitch legte den Kopf in den Nacken und schnaubte. Es fiel ihm immer noch schwer, zu glauben, daß er mit der Freundin eines seiner Geschworenen plauderte. Er hatte schon früher indirekten Kontakt mit Geschworenen gehabt, mehrere Male, in unterschiedlicher Form, aber so engen noch nie.
Und sie kam zu ihm!
»Wo kommt er her?« fragte Fitch.
»Was spielt das für eine Rolle? Er ist nun einmal da.«
»Ist er Ihr Mann?«
»Nein.«
»Ihr Freund?«
»Sie stellen eine Menge Fragen.«
»Sie fordern zu einer Menge Fragen heraus, junge Dame. Und Sie erwarten von mir, daß ich sie beantworte.«
»Er ist ein Bekannter.«
»Wann hat er sich den Namen Nicholas Easter zugelegt?«
»Spielt das eine Rolle? Es ist sein legaler Name. Er
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