Das Urteil
gelassen. »Mit der Erlaubnis des Gerichts werden wir Edward Teller Hollis Ned Hollis nennen.« Er wandte sich erneut an Terrell und wiederholte die Frage.
»Ich arbeite als Inspector bei der Mordkommission. Im vergangenen Dezember war ich zuständig für die Ermittlungen im Mordfall Larry und Matthew Witt. Als ich die persönliche Geschichte der Tatverdächtigen, der Angeklagten Mrs. Witt, zu rekonstruieren versuchte, fragte ich sie nach ihrem ersten Mann. Sie sagte mir, daß er an einer Überdosis gestorben sei und sie das Geld einer Versicherungspolice erhalten habe. Meiner Meinung nach war das eine zufällige Übereinstimmung, die man sich genauer ansehen sollte.«
All das entsprach der Wahrheit, und Hardy begriff, daß es vielleicht doch kein so schlechter Schachzug gewesen war, Terrell als Zeugen aufzurufen. Terrells Zeugenaussage würde die Ähnlichkeiten der unterstellten Motive bei beiden Mordfällen verdeutlichen, und zwar noch, bevor irgendwelches Beweismaterial vorgebracht wurde, das die Morde Jennifer anlastete. In Wirklichkeit sah es wie eine ziemlich geschickte Eröffnung aus, und Hardy fragte sich, was Freeman wohl dagegen unternehmen wollte. Die einzige Antwort lautete, die Aussage sofort anzugreifen und zu entkräften.
»Euer Ehren.«
Im Gerichtssaal bekam Freemans Stimme einen volleren Klang, was nichts anderes als Absicht sein konnte. Alles, was Freeman auf dieser Bühne tat, war, falls möglich, genau einstudiert, obgleich nichts einstudiert schien. Freemans Stimme klang bei anderer Gelegenheit eher schroff - ein wenig heiser, leise und guttural. Vor Gericht, sobald er aufstand, war er die Verkörperung der sanften Vernunft, spürte man seine Autorität, doch seine Stimme klang wie die eines freundlichen Großvaters.
Villars wartete, bis Freeman vollständig aufgestanden war. Es dauerte länger als nötig, aber der Prozeß hatte gerade erst begonnen, und man durfte erwarten, daß die Richterin geneigt sein würde, Geduld an den Tag zu legen.
»Euer Ehren«, wiederholte er, »es scheint mir etwas früh für zufällige Übereinstimmungen. Es wurde noch keinerlei Verbindung, die auf Beweismaterial zurückgreift, herge stellt.«
Wie Hardy wußte, hatte Terrell eine Schwäche für Motive. Der junge Inspector, der jetzt knallrot im Gesicht war, dem die Adern im Nacken sichtbar anschwollen, lehnte sich im Zeugenstand nach vorn, stand halb auf. »Der Mann wurde umgebracht, und sie hat das Versicherungsgeld kassiert, was wollen Sie denn noch?«
Zack zack zack.
Villars' Augen loderten, auch wenn sie ihre Stimme unter Kontrolle hatte. »InspectorTerrell, das reicht. Mr. Freeman hat sich an das Gericht gewendet, nicht an Sie. Ist das klar?«
Terrell setzte sich widerstrebend. Er zog seine Jacke gerade, war immer noch wütend.
» Ich habe Ihnen eine Frage gestellt, Inspector. Ist das klar ?«
»Ja, Euer Ehren. Tut mir leid.«
Villars nickte kurz, war zufrieden, hegte augenscheinlich keinen Groll. Selbst das Lodern in ihren Augen war ver glommen. Sie nahm es nicht persönlich, aber über eines sollte sich niemand täuschen - bei ihr im Gerichtssaal herrschte Ordnung.
Zwei Sekunden lang blickte Villars an die Decke, dann wie der zurück zu Freeman. »Dem Einspruch wird stattgegeben. Mr. Powell, Sie werden sich etwas konkreter ausdrücken müs sen.« Sie wandte sich an die Geschworenen, hatte in ein paar Sekunden von hitzig auf kühl und sachlich zurückgeschaltet. »Meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie die von dem Inspector zum Thema zufällige Übereinstimmungen gemach ten Kommentare nicht zur Kenntnis. Es bleibt Ihnen über lassen, die Verbindungen zwischen den Tatsachen herzustellen, vergessen Sie das nicht.« Zurück zum Staatsanwalt. »Mr. Powell?«
Powell, dem man die Kontrolle über das Geschehen im Ge richtssaal schneller gestohlen hatte, als er brauchte, sich die Schuhe zuzubinden, war mit einemmal mehr als hellwach. Sein erster Zeuge war jetzt nachweislich ein Hitzkopf mit einem Bruchteil der ursprünglichen Glaubwürdigkeit, und sie mußten sich tüchtig ins Zeug legen. Der Staatsanwalt setzte sein unbeirrtes Lächeln auf.
»Inspector Terrell, wir wollen es noch mal von neuem versuchen.«
Er lotste Terrell - vorsichtig, Schritt für Schritt - durch das Gespräch mit Jennifer und ließ dabei jeden Verweis auf die Gründe beiseite, warum sie zuletzt die Sache wieder aufgegriffen und eine Exhumierung vorgenommen hatten. Die Geschworenen müßten diesen Gedankensprung schon selbst
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