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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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als auch die Verteidiger hätten sich auf alle diese gerichtsmedizinischen Einzelheiten einigen können - die Tatsachen waren weitgehend unstrittig -, aber weder Powell noch Freeman zeigten Neigung dazu. Sie hatten ihre Gründe. Powell war darauf aus, daß den Geschworenen der lange zurückliegende Tod des ersten Ehemannes Jennifers gegenwärtig würde. Ned mochte jetzt schon lange tot sein, doch als er starb, war er ein kerngesunder Sechsundzwanzigjähriger gewesen. Powell wollte, daß die Jury sich dessen bewußt war und sich ein junges Leben vor Augen hielt, das ausgelöscht worden war, wollte, daß die Geschworenen zusahen, wie die der Tat angeklagte Mörderin auf das Ganze reagieren würde. Nachdem also Strout die Untersuchung auf dem Niveau C erläutert und berichtet hatte, daß sie in Neds linkem Oberschenkel auf eine hohe Konzentration von Atropin gestoßen waren, lotste Powell den Gerichtsmediziner in ein Gebiet, das im strikten Sinne nichts mit den Ergebnissen aus dem Labor oder von der Autopsie zu tun hatte.
    »Nun, Dr. Strout, Atropin ist eine verschreibungspflichtige Droge, richtig? Man kann es nicht einfach in der Apotheke kaufen?«
    Strout pflichtete ihm bei.
    »Und wofür wird es vor allem verwendet?«
    »Man benutzt es zu Narkosezwecken und um den Speichelfluß zu hemmen.« Strout verstand es, alle Anwesenden einzu-beziehen. Er lächelte in die Runde, ruhig und entspannt.
    »Waren Sie denn überrascht, als Sie bei dem beschriebenen Test das Atropin fanden?«
    »Einspruch.« Freeman schoß wie aus der Kanone gefeuert hoch, und beinahe ebenso schnell gab Villars ohne weitere Diskussion dem Einspruch statt. Powell blieb unbeteiligt.
    »Dr. Strout, wird Atropin Ihres Wissens in der Drogenszene häufig benutzt?«
    Hardy konnte sehen, daß Freeman sich anschickte, erneut Einspruch zu erheben, sich aber dann wieder zurücklehnte und er anscheinend ganz zufrieden war, Powell die Befragung in dieser Richtung fortführen zu lassen.
    »Falls ja, ist es bestenfalls nicht sehr gängig.«
    »Es macht einen nicht high, wie man so sagt, oder etwas Derartiges?«
    Wieder warf Hardy Freeman einen raschen Seitenblick zu. Powell fragte den Zeugen die abwegigsten Dinge, und Freeman hatte sich mit gespitzten Lippen auf seinem Stuhl zurückgelehnt, hörte zu.
    »Nein.«
    »Hat es denn in Kombination mit anderen Drogen halluzi-nogene oder euphorisierende Wirkungen?«
    »Nein.«
    »Wenn also jemand gewohnheitsmäßig Drogen konsumiert und high werden will, dann würde er oder sie wohl nicht...«
    Hier hob Freeman zuletzt doch die Hand und meldete sich mit halblauter Stimme zu Wort. »Euer Ehren? Spekulation.«
    Wieder wurde dem Einspruch stattgegeben. Powell lächelte, drehte die Handflächen nach außen und entschuldigte sich auf seine überaus verbindliche Art, nickte sowohl der Richterin und dem Arzt zu. »Das ist dann alles. Ich danke Ihnen, Dr. Strout. Ihr Zeuge, Mr. Freeman.«
    Der zerknautscht aussehende Rechtsanwalt, nicht weniger freundlich als Powell, wenn auch - wie Hardy bei sich dachte - glaubhafter in dieser Pose, schlenderte hinüber zu dem Fleck, auf dem Powell gestanden hatte, und ging dann drei Schritte näher auf den Zeugenstand zu, hob dabei eine Hand, um Strout beiläufig zu grüßen und die Geschworenen durch diese Geste wissen zu lassen, daß er und Strout ebenfalls Berufskollegen waren. Nur, weil er auf der Seite der Vertei digung stand, hieß das noch lange nicht, daß er es mit den Bösen hielt oder gar einer von ihnen war.
    »Diese Exhumierungen ... ich nehme mal an, das macht nicht allzuviel Spaß, oder doch, Dr. Strout?«
    Strout war immer noch völlig entspannt. Es hatte Prozesse gegeben, bei denen er mehr als die halbe Woche lang aussagen mußte. Er betrachtete die Zeit, die er als Zeuge vor Gericht verbrachte, als Erholung von seiner Arbeit im Leichenschauhaus. Er streckte die Arme seitlich aus. »Es gehört zu meinem Beruf. Manchmal ist es recht interessant.«
    »War denn die Exhumierung von Ned Hollis besonders in teressant?«
    Strout dachte einen Moment lang nach und antwortete dann: »Doch ja, ich würde das wohl sagen.«
    »Und können Sie den Geschworenen sagen, warum das so ist?«
    Das gefiel Strout, daß er die Gelegenheit bekam, sich zurückzulehnen und ein bißchen zu plaudern. »Na ja, bei je der Autopsie ist die Suche nach der Todesursache immer ein kleines Rätsel. Wie ich bereits erläutert habe, suchen wir im Labor nach verschiedenen Substanzen und untersuchen den Leichnam in der

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